Rehakliniken kämpfen ums Überleben

„Ohne Rettungsschirm geht es nicht.“

Das Rettungspaket für Rehakliniken ist ausgelaufen. Doch da viele Häuser aus Infektionsschutzgründen nicht voll belegt sein dürfen, ist die Zukunft ungewiss. Vor welchen Problemen stehen die Einrichtungen?

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Nicht einfach für alle Beteiligten: Reha in Coronazeiten.

Nicht einfach für alle Beteiligten: Reha in Coronazeiten.

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Berlin. Seit Anfang Oktober erhalten Reha- und Vorsorgekliniken keine Ausgleichszahlungen mehr, wenn die Klinik wegen Corona-Auflagen nicht voll belegt werden kann. Gemeinnützige und private Träger sorgen sich um die Unterstützung für erschöpfte Mütter, Väter und Kinder und um die eigene wirtschaftliche Existenz.

Eigentlich könnte Marcus Bierei vom evangelischen Verein für Müttergenesung zufrieden sein. Sein Haus Waldquelle, eine Mutter-Vater-Kind-Klinik (MVKK) nahe der deutsch-niederländischen Grenze, hat aktuell 30 Familien aufgenommen und ist endlich wieder voll belegt. Dass der Geschäftsführer dennoch besorgt ist, liegt daran, dass die Einrichtung monatlich ein Defizit von rund 50.000 Euro einfährt.

Das Geld werde, so Bierei, für Hygieneartikel und Organisationsmaßnahmen benötigt, die die Krankenkassen jedoch nicht vollständig und von 2021 an gar nicht mehr refinanzieren. Ende September wurden zudem die pauschalen Ausgleichszahlungen nicht verlängert. Die Krankenkassen hatten bis dato den Reha- und Vorsorgekliniken 60 Prozent der Tagessätze für nicht belegte Plätze ausgezahlt. Kommt es in den nächsten Wochen zu einem erneuten Lockdown, steht das Haus Waldquelle mit diesem Risiko allein da – wie hunderte andere Reha-Klinik-Betreiber, die mit der gesetzlichen Krankenkasse abrechnen.

Vor allem gemeinnützige Häuser in Gefahr

Anne Schilling, Geschäftsführerin des Müttergenesungswerkes, sieht mit dem Auslaufen des Rettungspaketes nach Paragraf 111d SGB V vor allem gemeinnützig geführte Kliniken in Gefahr. Zu ihrem Verband zählen rund 70 Vertragskliniken, die einem Wohlfahrtsverband wie beispielsweise dem Deutschen Roten Kreuz, der Caritas oder eben der Diakonie – wie das Haus Waldquelle – unterstellt sind.

Die Kliniken nehmen deutlich weniger ein, doch die Kosten für Personal und Sachkosten laufen weiter.

Thomas Bublitz, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken

Schon die komplette Schließung von März bis Juni dieses Jahres hatte den Häusern rote Zahlen in die Bilanz diktiert. Um den Betrieb wieder aufzunehmen und die Schutzauflagen einzuhalten, müssen viele Kliniken ihre Kapazitäten auf 60 bis 80 Prozent herunterfahren. Für die eigene Kostendeckung wäre jedoch eine durchgehende 95-prozentige Belegung nötig. Die Kassen zahlen zwar bislang acht Euro pro Person und Tag, um die pandemiebedingten Mehrkosten zu finanzieren. In den Mutter-Kind-Kliniken ist der Tagessatz aber auf 16 Euro begrenzt, auch wenn 60 Prozent der Eltern mit zwei oder mehr Kindern aufgenommen werden.

„Ab jetzt gibt es keine Hilfen mehr, dafür weiterhin Mehrausgaben, um den Betrieb trotz der Corona-Auflagen zu stemmen. Alle unsere Vertragskliniken werden ein sechsstelliges Defizit machen“, sagt Schilling.

Belegungszahlen deutlich unter Vorjahr

Thomas Bublitz, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken (BDPK), bezeichnet das Auslaufen des Rettungsschirms als „eine äußerst problematische Entwicklung“. Noch immer seien die Belegungszahlen in den Reha-Kliniken deutlich niedriger als in den Vorjahren. In den somatischen Reha-Einrichtungen seines Verbandes liegen sie zwischen 75 und 85 Prozent, in den Einrichtungen für Vorsorge- und Rehabilitation bei rund 50 Prozent.

„Die Kliniken nehmen deutlich weniger ein, doch die Kosten für Personal und Sachkosten laufen weiter. Das gefährdet die Existenz vieler Einrichtungen und der damit verbundenen Arbeitsplätze“, sagt Bublitz. Dass das Haus Waldquelle momentan vollbelegt ist, liegt am glücklichen Zufall, dass in vielen Bundesländern Schulferien sind – und damit Hochsaison für die MVKK. Zudem holen jetzt jene Familien die Kur nach, die bereits für den März genehmigt war. „Alleinerziehende Mütter kommen nach Monaten des Home-Schooling und der Rund-um-die-Uhr-Kinderbetreuung bei uns völlig erschöpft an. Der Bedarf nach Unterstützung ist bei vielen Eltern sehr hoch.“, sagt Bierei.

Ähnlich sieht es in den Fachkliniken Maria am Meer und Thomas Morus unter dem Dach der Caritas auf Norderney aus. Aktuell seien die Häuser dort zu 70 Prozent belegt, auf der Warteliste stünden nach wie vor 500 Frauen, denen aufgrund des Lockdowns abgesagt worden ist, berichtet Silvia Selinger-Hugen, Leiterin der beiden Einrichtungen. Ihr Fazit zur wirtschaftlichen Lage: „Ohne Rettungsschirm geht es nicht. Die Absicherung muss bis Ende März nächsten Jahres verlängert werden.“

Der Einsatz des Personals, die Belegung der Räume, die Größen der Therapiegruppen sowie das Essen im Schichtbetrieb könnten nicht endlos entlang der Hygienevorschriften besser organisiert werden, um eine höhere Auslastung zu ermöglichen und den Betrieb wirtschaftlich abzusichern. Die Möglichkeiten hier gegenzusteuern, ohne zu viele Risiken beim Infektionsschutz einzugehen, seien, so Selinger-Hugen, je nach Ausstattung und Größe der Klinik begrenzt.

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