Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung
Opposition spottet über „Spahns-Resterampe-Gesetz“
Mit dem Entwurf für ein weiteres Versorgungsgesetz fährt Gesundheitsminister Jens Spahn gleich einen Güterzug an Neuregelungen vor. Oppositionsvertreter sehen viel Masse, aber nur wenig Güte.
Veröffentlicht:Berlin. Der Bundestag hat am Freitag in erster Lesung über den Entwurf für ein Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (GVWG) beraten. Das von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegte, 120 Seiten lange Vorhaben greift mit zahlreichen, teils kleinteiligen Neuerungen direkt in die Arbeit von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern ein.
Eingreifen will Spahn etwa in die Regelungen zur Berufshaftpflichtversicherung für Ärzte. Geplant ist eine einheitliche Mindestversicherungssumme von drei Millionen Euro je Versicherungsfall. Ein DMP Adipositas soll die Versorgung stark übergewichtiger Patienten verbessern. Qualitätsverträge zwischen Kassen und Kliniken sollen verbindlicher geregelt sein. Für die ambulante Notfallversorgung im Krankenhaus ist ein Ersteinschätzungsverfahren geplant.
„Langfristige Verbesserungen“
Die Koalition habe bereits zahlreiche Gesetze vorgelegt, um Medizin und Pflege besser auf die 2020er-Jahre vorzubereiten, sagte Spahn. In diese „Kategorie der langfristigen Verbesserung der Versorgung“ ordne sich das GVWG ein. Corona zeige, wie wichtig es sei, dass sich Krankenhäuser vernetzten und kooperierten.
Dieses Prinzip sei für die Krankenhausversorgung insgesamt anzuwenden. Es gehe nicht um Sparen oder Schließen, sondern um Qualität und Vernetzung. Dazu brauche es Häuser der Grund- und Notfallversorgung in der Fläche und Maximalversorger.
Nötig sei zudem ein Mehr an Spezialisierung bei komplexen Eingriffen, betonte Spahn. So gebe es etwa bei in spezialisierten Häusern durchgeführten Prostata-Operationen ein um bis zu 50 Prozent geringeres Risiko für Impotenz oder Inkontinenz.
Grüne vermissen Strukturreform
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Maria Klein-Schmeink, warf Spahn vor, trotz eines dicken Gesetzentwurfs überfällige Strukturreformen zu verschleppen. Es reiche nicht, an Puzzleteilen herumzudoktern. Es brauche ein „Gesamtbild“ von koordinierter Versorgung. Als Beispiel nannte sie die Notfallversorgung. Spahn bringe es fertig, die dringend überfällige Reform dazu in einem einzigen Passus abzuhandeln. „Das kann es nicht sein.“
Der krankenhauspolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Weinberg, sprach vom Gesetzentwurf als „Spahns Resterampe“. Union und SPD arbeiteten darin noch rasch einige Posten des Koalitionsvertrags ab. Der Nutzen für die Versorgung sei an einigen Stellen „zumindest zweifelhaft“.
„Der Spahnsche Omnibus ist wieder unterwegs“, stellte der FDP-Gesundheitspolitiker Professor Andrew Ullmann fest. Das grundsätzliche Ansinnen, Versorgungsqualität zu heben, sei zwar richtig. Jedoch brächten einige Maßnahmen die Gefahr neuer bürokratischer Pflichten für Ärzte und Pflegekräfte mit sich. „Da werden wir noch mal genauer prüfen.“
Streit um Berufshaftpflicht
AfD-Gesundheitspolitiker Dr. Robby Schlund stieß sich an den vorgesehenen Neuerungen bei der Berufshaftpflichtversicherung von Ärzten. In der Berufsordnung sei bereits festgelegt, dass sich Ärzte „hinreichend“ gegen Haftpflichtansprüche abzusichern hätten.
Eine einheitliche Mindesthöhe über alle Arztgruppen hinweg festsetzen zu wollen sei falsch, „da sowohl Schadenshöhe als auch Schadenshäufigkeiten in verschiedenen Arztgruppen deutlich variieren“. Ärzten drohe womöglich der Entzug der Zulassung. Das sei angesichts des Ärztemangels „eine Farce“.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Sabine Dittmar, hielt dagegen, Vertragsärzte müssten im Sozialgesetzbuch verpflichtet werden, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und „auch nachzuweisen“. Nur dann könnten Patienten darauf bauen, „dass ihre berechtigten Schadensersatzansprüche tatsächlich auch bedient werden können“.
DMP Adipositas „wichtiger Schritt“
Der CDU-Gesundheitspolitiker Dietrich Monstadt lobte den Vorstoß für ein DMP Adipositas. „Absolut dramatische Zahlen“ verdeutlichten Handlungsbedarf: Mehr als 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen seien übergewichtig, sechs Prozent adipös. 67 Prozent der Männer seien zu dick, 23 Prozent adipös. Bei den Frauen brächten 53 Prozent zu viele Pfunde auf die Waage, 24 Prozent seien adipös.
Dennoch werde Adipositas noch immer zu spät entdeckt und dann nur schleppend behandelt. Das DMP sei ein „erster wichtiger Schritt“, um das zu ändern, sagte Monstadt.