Pflege
Patientenschützer beklagen "Zwei-Klassen-Sterben"
Die Stiftung Patientenschutz moniert die unterschiedlichen Versorgungsniveaus in Pflegeheimen und in Hospizen. Ein "Upgrade" der palliativen Versorgung in Heimen auf das Niveau der Hospize würde 730 Millionen Euro jährlich kosten.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz beklagt ein "Zwei-Klassen-Sterben" in Deutschland, und zwar abhängig davon, ob die Sterbenden ihre letzten Tage in einem stationären Pflegeheim oder in einem Hospiz verbringen.
Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung, forderte am Donnerstag in Berlin einen Rechtsanspruch auf professionelle Sterbebegleitung auch in Pflegeheimen.
Sterben in Deutschland
340.000 Menschen sterben pro Jahr in Pflegeheimen. Die Zahl aller Sterbefälle in Deutschland betrug zuletzt 893.000 im Jahr.
60 Prozent der Pflegeheim-bewohner haben Studien zufolge palliativen Versorgungsbedarf. Das wären bei 94 Prozent gesetzlich versicherten Pflegeheimbewohnern rund 192 000 Menschen.
Die Kosten der Umsetzung dieser Forderung für die gesetzlichen Krankenkassen bezifferte Brysch auf jährlich rund 730 Millionen Euro. Realisiert werden sollte die Gleichstellung von Pflegeheim- mit Hospizbewohnern durch eine Ergänzung des Paragrafen 39a Absatz 1 SGB V.
Darin sollte es heißen: "Stationäre Hospizleistungen können auch in Einrichtungen der stationären Pflege gemäß Paragraf 72 SGB XI erbracht werden."
Hohe Kostendifferenz
Bislang finanzierten die Sozialkassen einen Platz im Hospiz mit 6500 Euro im Monat. Für einen Platz im Pflegeheim sind es in der Pflegestufe III rund 5000 Euro weniger, nämlich 1612 Euro.
Zugleich sei ein Wechsel vom Pflegeheim in ein Hospiz nach der Rahmenverordnung zu Paragraf 39 nur in "engen Ausnahmefällen" möglich, teilt die Stiftung mit.
Angesichts der Kostendifferenz sei offensichtlich, dass trotz der höchsten Pflegestufe eine adäquate palliativ-hospizliche Versorgung sterbender Patienten "im Pflegeheim nicht mit dem im SGB XI bestehenden ‚Teilkasko-System‘ geleistet werden kann", schreibt die Stiftung. Sie beklagt als Konsequenz ein " ,Sterben zweiter Klasse‘ in den 13.030 Pflegeheimen" in Deutschland.
Ein solcher Standard auch im Pflegeheim würde bedeuten: Examinierte Pflegekräfte mit Palliativ-Ausbildung, eigene Schmerzapotheke, psycho-soziale Begleitung und die Versorgung durch Palliativmediziner.
Berechtigt, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen, sollten Pflegeheimbewohner sein, bei denen eine palliativ-pflegerische Versorgung nötig ist und die voraussichtlich eine verbleibende Lebenserwartung von wenigen Tagen, Wochen oder "wenigen Monaten" haben.
Die durchschnittliche Verweildauer von Patienten im Hospiz beträgt rund 18 Tage.
Legt man Schätzungen zu Grunde, dass rund 60 Prozent der sterbenden Pflegeheimbewohner palliative Begleitung brauchen, dann wären dies in Deutschland 204.000 Personen. Von diesen sind 94 Prozent (rund 192.000) gesetzlich versichert.
Einsparungen könnten sich ergeben, weil nicht wie bisher Pflegeheimbewohner zum Sterben in Krankenhäuser verlegt würden. Das betrifft nach Angaben des hessischen Gesundheitsministeriums rund 30 Prozent der Pflegeheimbewohner.
Die Höhe dieser möglichen Einsparungen hat die Stiftung Patientenschutz nicht errechnet.