Pflichtenheft für die neue Regierung

Drei Reformen sind Lesern der „Ärzte Zeitung“ besonders wichtig

Welche ärztlichen Themen muss die neue Bundesregierung sofort anpacken? Bei der großen Wahlumfrage haben Leserinnen und Leser der „Ärzte Zeitung“ ein Pflichtenheft erstellt. Nicht nur die Vergütung steht ganz oben auf der Liste.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Was sollte die neue Regierung als Erstes anpacken?

Was sollte die neue Regierung als Erstes anpacken? Ganz oben auf der Reform-Liste steht auch die einheitliche Vergütung ambulanter Leistungen für Praxen und Kliniken.

© [M] Nuthawut / stock.adobe.com

Neu-Isenburg. Über Drittel der „Ärzte Zeitung“-Leser und -Leserinnen, die an unserer großen Wahlumfrage teilgenommen haben, wünscht sich nach der Bundestagswahl eine schwarz-gelbe Regierung. Hingegen stimmen 27 Prozent für rot-rot-grün.

An der nicht-repräsentativen Umfrage haben sich 472 Leserinnen und Leser, vorrangig aus der hausärztlichen Versorgung und in eigener Praxis tätig, beteiligt.

Lesen sie auch

Aber was sollte eine neue Regierung, in welcher Konstellation sie auch kommt, als Erstes anpacken? Ganz oben auf der Reform-Liste stehen für die Ärzte drei Dinge:

Eine einheitliche Vergütung ambulanter Leistungen für Praxen und Kliniken: Über 71 Prozent der Umfrageteilnehmer halten diese für notwendig. Immer wieder hatten Ärzte aus dem ambulanten Versorgungsbereich in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass auch dies ein wichtiger Schritt sei, um die Sektorengrenzen endlich zu überwinden. Denn dann würde die Leistung dort erbracht, wo sie für den Patienten am sinnvollsten ist, nicht dort, wo das meiste Geld verdient wird. Ein einheitliches Vergütungssystem in diesem Bereich würde zudem einiges an Bürokratie nehmen, auch das erleichtert die Zusammenarbeit ambulant-stationär.

Ein flächendeckendes Primärarztsystem: Rund 61 Prozent sprechen sich dringend dafür aus, mehr auf Patientensteuerung zu setzen und den Primärarzt bundesweit einzuführen. Blaupause für dieses Konzept ist die hausarztzentrierte Versorgung (HzV). Erst vor Kurzem hatte der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten die HzV als wirksames Mittel gegen den Ärztemangel ins Rennen gebracht. Denn werden Patienten gezielt durchs Versorgungssystem gelotst, spart das Ressourcen. Die HzV hat sich zudem in Sachen Prävention bewährt. Nur acht Prozent der Ärzte halten ein solches Steuerungsmodell übrigens für gefährlich, 31 Prozent meinen, es sei nicht notwendig.

Förderung der Delegation: 59 Prozent sehen hier dringenden Handlungsbedarf, um Ärzte zu entlasten. Entgegen der allgemein verbreiteten Meinung, Ärzte wollten keine Aufgaben abgeben, halten nur knapp über acht Prozent mehr Delegation für gefährlich. Politik sollte aber nicht den Fehler machen, Delegation mit Substitution zu verwechseln. Den Ärzten geht es darum, im Team, etwa an Medizinische Fachangestellte, Aufgaben zu übertragen. Und nicht darum, Mediziner durch Gesundheitsberufe zu ersetzen.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Datawrapper Um mit Inhalten aus Datawrapper zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir Ihre Zustimmung. Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte aus Sozialen Netzwerken und von anderen Anbietern angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät notwendig. Weitere Information dazu finden Sie hier.

Bürgerversicherung? Na und!

Als etwas weniger dringlich wird die Förderung der Telemedizin und digitalen Infrastruktur (52 Prozent halten diese für notwendig) gewertet. Ähnlich sieht es in Sachen Krankenhausstrukturreform (50 Prozent sagen, das ist notwendig) und Etablierung einer einheitlichen ärztlichen Gebührenordnung aus (45 Prozent halten diese für notwendig, rund ein Fünftel sagt, dieser Schritt wäre gefährlich für die Versorgung).

Wie bereits erwähnt, haben die Bürgerversicherung und die Aufgabe des dualen Versicherungssystems ihren Schrecken verloren: 36 Prozent der Umfrageteilnehmer erachten diesen Reformschritt sogar als notwendig, ein Drittel meint allerdings, diese Zusammenführung wäre gefährlich fürs Gesundheitssystem.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Datawrapper Um mit Inhalten aus Datawrapper zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir Ihre Zustimmung. Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte aus Sozialen Netzwerken und von anderen Anbietern angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät notwendig. Weitere Information dazu finden Sie hier.

Zäsur mit der Legislatur Spahn

Eine Bundestagswahl ist immer auch ein guter Zeitpunkt für eine Zäsur: Was haben die Reformen der Vorgängerregierung gebracht? Auch hier zeigt sich: Gesundheitsminister Spahn hat mit seinem Wirken viele Ärzte nicht überzeugt. Vor allem das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) und das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) schneiden schlecht bei den Ärzten ab.

Nahezu drei Viertel der Ärzte, die sich ab der Umfrage beteiligt haben, sagen, die mit dem TSVG versprochene schnellere Terminvergabe bei Fachärzten wirkt nicht. Und auch die extrabudgetäre Vergütung für neue und Patienten, die über die Terminservicestelle (TSS) vermittelt werden, bleibt laut 71 Prozent wirkungslos. Da wundert es nicht, dass 69,8 Prozent zusätzlich monieren, dass sich die Versorgung auf dem Land durch das Gesetz ebenfalls nicht verbessert hat.

Mehr Tempo bei der elektronischen Patientenakte, das sich Spahn gewünscht hat, hat er mit dem DVG nicht erreicht, meinen ca. 76 Prozent der Ärzte. Immerhin 30 Prozent halten die Möglichkeit, digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Rezept zu verordnen für einen wirkungsvollen Schritt.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Datawrapper Um mit Inhalten aus Datawrapper zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir Ihre Zustimmung. Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte aus Sozialen Netzwerken und von anderen Anbietern angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät notwendig. Weitere Information dazu finden Sie hier.

Ein anderer wichtiger Punkt, Ärzten die Regresssorgen zu nehmen, hat indes bislang nicht funktioniert. Mit seinem Mammutwerk, dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) wollte Spahn verkürzte Prüfzeiten für Regresse etablieren. Deutlich über die Hälfte der Ärzte (58 Prozent) sagt: wirkungslos.

Und auch die standardisierte Ersteinschätzung bei Notfällen, die Entlastung ins Versorgungssystem bringen soll, wirkt laut über der Hälfte der Umfrageteilnehmer nicht. Dabei spiegeln die Umfrageteilnehmer die aktuelle Situation gerade in der hausärztlichen Versorgung gut wider.

Die Wahlumfrage der „Ärzte Zeitung“

  • 472 Ärztinnen und Ärzte haben sich an der nicht-repräsentativen Leserumfrage beteiligt, 44 Prozent gehören der hausärztlichen Versorgung an, weitere 10 Prozent sind fachärztlich internistisch tätig.
  • 54 Prozent arbeiten in eigener Praxis, 24 Prozent als angestellte Ärzte.
  • 48 Prozent sind älter als 60 Jahre, rund 27 Prozent gehören der Altersgruppe 51-60 Jahre, 15 Prozent der Gruppe 41-50 Jahre und rund 10 Prozent der Gruppe 20-40 an.
  • 67,5 Prozent Männer haben sich an der Umfrage beteiligt und nur 30 Prozent Frauen.
Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Ein Roboter, der Akten wälzt? Künstliche Intelligenz kann bereits mit Leitlinien umgehen – jedenfalls wenn sie so gut strukturiert sind wie die der DEGAM.

© Iaroslav / stock.adobe.com

Digitalisierung in der Medizin

Kollegin Dr. ChatGPT? Wie Künstliche Intelligenz Ärzten helfen könnte

Digital und innovativ: Klinikum Siegen überzeugt von Fluency Direct

© Solventum Germany GmbH

Solventum Spracherkennung

Digital und innovativ: Klinikum Siegen überzeugt von Fluency Direct

Anzeige | 3M Healthcare Germany GmbH
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Kommentare
Abb. 1: Eszopiclon verbesserte signifikant beide polysomnographisch bestimmten primären Endpunkte: Schlaflatenz (a) und Schlafeffizienz (b)bei älteren Patienten mit chronischer primärer Insomnie (jeweils p0,05)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziet nach [20]

Behandlungsbedürftige Schlafstörungen bei älteren Menschen

Schlafstörungen können typische Altersprozesse triggern und verstärken

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: HENNIG Arzneimittel GmbH & Co. KG, Flörsheim
Abb. 1: Signalwege in der Kommunikation zwischen Mikrobiom und Gehirn

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Darmmikrobiom

Dysbiose des Darmmikrobioms – Gesundheitsauswirkungen besser erforscht

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Theralution GmbH – a member of Medice, Iserlohn
Carl Billmann, Leiter der Stabsstelle IT, Marketing & Kommunikation bei BillmaMED, Medizinstudent mit dem Berufsziel Dermatologe.

© Doctolib

Interview

„Am Empfang haben wir Stress rausgenommen“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Erhöhtes Thromboserisiko

Fallbericht: Lungenembolie bei einem Hobby-Bergsteiger

Lesetipps
Die Autorinnen und Autoren resümieren, dass eine chronische Lebererkrankungen ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer akuten Pankreatitis ist. Sie betonen aber, dass für eine endgültige Schlussfolgerungen die Fallzahlen teils zu gering und die Konfidenzintervalle zu weit sind.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Mehr Komplikationen, höhere Sterblichkeit

Akute Pankreatitis plus CLD – eine unheilvolle Kombination

Einweg-E-Zigaretten

© Moritz Frankenberg / dpa

Vaping

Konsum von fruchtigen E-Zigaretten im Trend