Coronapandemie und Personalmangel
SARS-CoV-2: Fachärzte fordern Aufgabe der Quarantäneregeln
Mehr Infizierte bedeuten mehr Kontakte von Ärzten und Pflegekräften. Wenn dann immer sofort Quarantäne verhängt wird, wird es eng, warnt die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene.
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Wenn nur bei einem im Team der Coronavirus nachgewiesen wird, müssen alle in Quarantäne. Das muss sich ändern, fordert die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene.
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Berlin. Die strengen Quarantäne-Vorschriften für Ärzte und Pflegekräfte drohen Medizinische Versorgungsstrukturen lahmzulegen. Davor warnt die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH).
Nur mit praxisnäheren Vorgaben lasse sich die Funktionsfähigkeit von Krankenhäusern und anderen medizinischen Versorgungseinheiten aufrechterhalten, warnt der Vorstand der medizinischen Fachgesellschaft. Am kommenden Dienstag will die DGKH in einer Pressekonferenz gegen ein generelles Ausgehverbot und stattdessen für ein gezieltes Eintrittsverbot für Infizierte zu Orten plädieren, an denen sich vulnerable Personengruppen aufhalten können.
Kritische Infrastruktur betroffen
Der dynamische Verlauf der Seuche führt zwangsläufig zu mehr Kontakten von medizinischem Personal und mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Menschen. Daraus folge eine „inakzeptable Zahl von Quarantäne-Anordnungen in den medizinischen Versorgungssystemen und anderen Bereichen der kritischen Infrastruktur“, stellen die DGKH-Verantwortlichen in einer Stellungnahme fest.
Dadurch könnten ganze Krankenhausabteilungen lahmgelegt werden, warnt die DGKH. Beeinträchtigt seien aber auch die Notärzte, der Rettungsdienst und die Feuerwehr.
Wirrwarr um Zuständigkeiten
Zusätzlich erschwert wird das Quarantäne-Management offenbar durch ein Zuständigkeits-Wirrwarr bei den Gesundheitsämtern. Wohne ein Mitarbeiter in einem anderen Amtsbezirk als in dem, in dem er arbeitet, komme es zu Problemen, heißt es bei der DGKH.
In einer Düsseldorfer Klinik hätten 20 Mitarbeiter in Quarantäne gehen müssen, weil sie mit einem infizierten Kollegen Kontakt hatten. Zuständig seien fünf Gesundheitsämter gewesen, berichtete DGKH-Sprecher Dr. Peter Walger am Freitag auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“.
Zahlen, wie oft bislang medizinisches Personal ohne tatsächlichen Anlass aus den Diensten genommen worden sei, liege nicht vor.
Abgestuftes Eskalationsmodell
Die Gesellschaft schlägt daher einen neuen Zuständigkeitszuschnitt und ein „abgestuftes Eskalationsmodell“ vor, um die Krankenhäuser besser auf die vor ihnen liegenden Aufgaben aufzustellen. Zum einen sollte bei medizinischem Personal mit dem Verdacht auf eine Infektion grundsätzlich immer das Gesundheitsamt zuständig sein, in dessen Amtsbezirk das betroffene Krankenhaus oder die medizinische Versorgungseinheit liege.
Entscheidungen über Quarantäne setzten konkrete Kenntnisse über das betroffene Krankenhaus voraus, wie sie nur das vor Ort zuständige Gesundheitsamt gewährleisten könne. Durch „Verkürzung oder sogar Wegfall der Quarantänezeiten bei gleichzeitiger Mitarbeiter-Testung könnte bei größtmöglichem Schutz von Personal und Patienten vor weiteren Übertragungen die Funktionsfähigkeit der betroffenen Abteilungen gewährleistet werden“, heißt es in dem Vorschlag eines Eskalationsmodells.
Die Eskalationsstufen seien: Testung der Mitarbeiter, Erlaubnis zur Weiterarbeit bei negativem Testergebnis, strikte Einhaltung der Hygieneregeln und Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, Führen eines Symptomtagebuches sowie der Wiederholung der Testung.
Spahn deutet Lockerung an
Es gebe bereits „diskrete Hinweise“ des Robert-Koch-Instituts, dass die Krankenhäuser vor Ort flexibel entscheiden könnten, heißt es bei den Krankenhaushygienikern. Auch Äußerungen von Gesundheitsminister Jens Spahn am Donnerstagnachmittag werden dahingehend gedeutet.
Natürlich könne wegen der Quarantäne von Ärzten und Pflegepersonal, die selbst nicht positiv getestet seien, nicht auf einen Schlag zehn oder 20 Leute in einer Abteilung oder einer Pflegeeinrichtung fehlen, hatte Spahn gesagt. Dann drohe die Einstellung des Betriebs. Hier müsse man zu einer Balance finden, immer unter der Überschrift, alle Beteiligten bestmöglich zu schützen, hatte der Minister betont.
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Nach wie vor ordneten die meisten Gesundheitsämter jedoch rigoros 14-tägige Quarantänen an, sagte Walger. Mit einem Test ließen sich die Quarantänen zumindest auf die Wartezeiten auf die Testergebnisse verkürzen. Auf Dauer sei aber nicht einmal das noch tolerabel.
Weiterarbeiten ohne Symptome
Das Stufenmodell gewährleiste, dass Menschen ohne Symptome weiterarbeiten könnten, heißt es in der Stellungnahme. Erst der Beginn von Symptomen solle zum Anlass genommen werden, die betroffenen Mitarbeiter unter Quarantäne zu stellen.
Bereits im Raum stehende Vorschläge, medizinisches Personal täglich auf das Coronavirus zu testen, um unnötige Quarantänen zu vermeiden, werden bei der Fachgesellschaft für nicht umsetzbar gehalten.