Sterbehilfe

Schutzkonzept für Suizidwillige – EKD bleibt vage

Nach dem Karlsruher Urteil zur Sterbehilfe, sucht Gesundheitsminister Spahn ein gangbares „legislatives Schutzkonzept“. Die Evangelische Kirche sieht Ärzte in einer wichtigen Position.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter dem Vorsitzenden Andreas Voßkuhle (Mi.) hat Ende Februar das „Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben“ normiert.

Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter dem Vorsitzenden Andreas Voßkuhle (Mi.) hat Ende Februar das „Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben“ normiert.

© Uli Deck / dpa / picture alliance

Berlin. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sucht vorsichtig nach einer Neubestimmung ihrer Haltung zur Sterbehilfe. Ende Februar hatte das Bundesverfassungsgerichts das bisherige Verbot der organisierten, geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt.

Die Empörung der beiden großen Kirchen war groß. „Dieses Urteil stellt einen Einschnitt in unsere auf Bejahung und Förderung des Lebens ausgerichtete Kultur dar“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Mitte April fragte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dann bei Kirchen, Verbänden und Institutionen an, wie ihre Vorstellungen zu einer möglichen Neuregelung der Suizidassistenz aussehen. Dann zeigte er sich überzeugt, die Spielräume für ein „legislatives Schutzkonzept“, die das Gericht in seinem Urteil gelassen habe, sollten genutzt werden.

Ambivalentes Papier der EKD

In einer am Montag an das BMG verschickten Stellungnahme zu „Evangelischen Perspektiven“ für ein solches Schutzkonzept werden Ambivalenzen der Verfassergruppe des EKD-Papiers deutlich. Einerseits arbeitet sich die EKD unverändert kritisch an den Karlsruher Richtern ab.

Diese hätten die Selbstbestimmung des Einzelnen so hoch bewertet, dass die „Schutzpflichten des Staates“ bei den Vorgaben für eine mögliche Neuregelung des Gesetzgebers „faktisch keine Rolle mehr spielen“. Darum sei Spahns Ansatz für ein legislatives Schutzkonzept richtig, weil anderenfalls die „Kultur, Leben zu schützen, gerade gegenüber dem verletzlichen und verlöschenden Leben Schaden nehmen könnte“.

Andererseits gehen die Überlegungen der EKD gerade nicht vom Einzelnen aus, sondern fokussieren sich auf das „gesellschaftliche Klima“. Es dürfe kein „sozialer Druck entstehen, sich für einen Suizid entscheiden zu müssen“, da dieses Klima „immer die Einschätzung des eigenen Lebens mit prägt“. Vage wird das Papier, wenn es die Ebene des Suizidwilligen adressiert. Aufgabe des Gesetzgebers könne es nicht sein, einen „Kriterienkatalog“ aufzustellen, durch den dann Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit des Suizidwunschs beurteilt werden.

Multiprofessionelle Kompetenzen gesucht

Sichergestellt werden müsse „mithilfe eines noch näher zu bestimmenden Verfahrens“, dass der Wunsch nach Selbsttötung nicht auf einer Entscheidung fußt, die durch sozialen Druck oder eine psychische Erkrankung herbeigeführt wurde.

Nötig für ein solches Verfahren seien „multiprofessionelle Kompetenzen, wobei Ärzten eine „besondere Verantwortung“ zukomme. Um die „prozeduralen Sicherungen“ zu gewährleisten, sieht die EKD wiederum Ärzte in der Pflicht. Doch deren Aus- und Weiterbildung im Bereich klinischer Ethik sei „verbesserungsfähig“.

Offen ist, ob sich EKD und Deutsche Bischofskonferenz über die Kritik am Karlsruher Urteil hinaus auf eine gemeinsame Position für ein „legislatives Schutzkonzept“ verständigen können.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Frage der Woche

Machen Regresse Ihnen zu schaffen?

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

EvidenzUpdate-Podcast

Hoffnung und Kollaps – wie Lecanemab uns herausfordert

Lesetipps
Ein sich auftürmender Geldstapel.

© Sascha Steinach/ZB/picture alliance

Finanzielle Lage der GKV

Zusatzbeiträge 2025: Hiobsbotschaften im Tagesrhythmus

 Hausarzt Werner Kalbfleisch

© Südwest Presse / Verena Eisele

Ende eines jahrelangen Verfahrens vor den Prüfgremien

Hausarzt geht mit XXL-Regress in die Rente

Die Forschenden nahmen die langfristigen Auswirkungen der essenziellen Metalle Kobalt, Kupfer, Mangan und Zink, sowie der nicht-essenziellen Metalle Arsen, Cadmium, Blei, Wolfram und Uran auf die kognitiven Funktionen in den Blick.

© Naeblys / Getty Images / iStock

Umweltbelastung

Metalle im Urin sind mit kognitivem Abbau assoziiert