„Offensive Psychische Gesundheit“
Spahn, Heil und Giffey versus psychische Erkrankungen
Mehrere Regierungsminister werben für mehr Offenheit im Umgang mit psychischen Erkrankungen. Mehr Prävention, bessere Vernetzung und Entstigmatisierung könnten die Lösung sein. Ärzte zeigen sich angetan.
Veröffentlicht:Berlin. Die Bundesregierung hat am Montag den Startschuss für die „Offensive Psychische Gesundheit“ gegeben. Das Präventionsprojekt wird von einem Bündnis aus 50 Institutionen, Verbänden, Krankenkassen, medizinischen Fachgesellschaften und anderen Akteuren unterstützt.
Corona treibt Sorgen und Ängste
Ziel ist ein offenerer Umgang mit psychischen Erkrankungen. Beratungs- und Präventionsangebote sollen ausgebaut und enger vernetzt werden. Getragen wird die Offensive von den Bundesministerien für Gesundheit, für Arbeit und Soziales sowie für Familien, Senioren, Frauen und Jugend.
Die moderne Arbeitswelt bringe neue Möglichkeiten mit sich, bedeute für viele Menschen aber auch „Stress und Belastung“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Beides könne krank machen. Die Corona-Pandemie treibe die Entwicklung. Es sei deshalb gut, dass die Initiative „jetzt“ starte, betonte Spahn.
Es brauche Orte, an denen sich Menschen „Dinge von der Seele reden können“ – sei es in der Familie, beim Pfarrer oder im Verein, sagte Spahn. Über ein gebrochenes Bein könne jeder sprechen. Bei psychischen Erkrankungen falle das vielen schwer.
Auch Familienministerin Dr. Franziska Giffey (SPD) betonte: „Mit der Offensive Psychische Gesundheit wollen wir eine gesellschaftliche Debatte anstoßen und dazu beitragen, dass offener über psychische Belastungen gesprochen wird.“
Nicht „von Pontius zu Pilatus“ schicken
Psychisch kranke Menschen mit hohem Behandlungsbedarf müsse erspart bleiben, dass sie „von Pontius zu Pilatus rennen müssen“, betonte Spahn. Die Bundesregierung habe hierzu erste gesetzliche Regelungen geschaffen. Ziel der Psychotherapeuten-Reform sei auch, Versorgungsangebote für psychisch Kranke stärker zu vernetzen. Die jetzt gestartete Offensive sei ein weiteres „starkes Signal“.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, gerade weil Menschen viel Zeit am Arbeitsplatz verbrächten, sei hier besonders auf Gesundheit zu achten. „Wir möchten Arbeitgeber dabei unterstützen, die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu stärken.“ Das liege auch im Interesse der Unternehmen, da psychische Erkrankungen mit hohen Ausfallzeiten verbunden seien, betonte Heil.
DGPPN: Angebote stärker vernetzen
Ärzte begrüßten den Vorstoß der drei Ministerien. „Der Schlüssel zu psychischer Gesundheit liegt in der Stärkung der Prävention, Behandlung und Rehabilitation psychischer Erkrankungen“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Professor Andreas Heinz, am Montag.
Die Angebote müssten vernetzt werden und niedrigschwellig sein. Ziel müsse sein, die Teilhabe von Menschen mit psychischen Leiden zu stärken und psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren.
Laut DGPPN sind in Deutschland knapp 18 Millionen Erwachsene von psychischen Leiden betroffen. Mit am häufigsten würden Angsterkrankungen auftreten, gefolgt von affektiven Störungen wie Depressionen oder solche durch den Konsum von Alkohol oder Medikamenten. Die DGPPN und ihr Aktionsbündnis Seelische Gesundheit gehören ebenfalls zu den Unterstützern der Offensive.
Linke für Anti-Stress-Verordnung
Die Linksfraktion im Bundestag kritisierte, eine Aufklärungskampagne reiche nicht. „Krankmachende Arbeitsbedingungen müssen endlich konsequent verhütet werden. Dafür brauchen wir eine Anti-Stress-Verordnung mit klaren Regeln, um psychische Belastungen im Arbeitsleben einzudämmen“, sagte die Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit, Jutta Krellmann, am Montag.
Jede fünfte Krankschreibung gehe inzwischen auf Burnout und andere psychische Leiden zurück. „Aber noch immer wird in vielen Betrieben kaum etwas dagegen unternommen.“ (hom)