„Sonnenkönig Spahn“

Streit um Sterbehilfe neu entfacht

Die Linksfraktion wirft Bundesgesundheitsminister Spahn vor, sich über ein Gerichtsurteil und den Willen Schwerstkranker hinwegzusetzen.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
„Der Sonnenkönig Spahn fühlt sich offenbar an Recht und Gesetz nicht gebunden“: Das wirft die Linksfraktion dem Gesundheitsminister vor, nachdem dieser Schwerstkranken in 102 Fällen den Zugang zu tödlichen Medikamenten versagt hat.

„Der Sonnenkönig Spahn fühlt sich offenbar an Recht und Gesetz nicht gebunden“: Das wirft die Linksfraktion dem Gesundheitsminister vor, nachdem dieser Schwerstkranken in 102 Fällen den Zugang zu tödlichen Medikamenten versagt hat.

© nmann77 / stock.adobe.com

Berlin. Die Linksfraktion im Bundestag hat scharfe Attacken auf Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gefahren. Dieser setze sich bei der Sterbehilfe sowohl über ein Gerichtsurteil wie auch über den Willen schwerstkranker Menschen hinweg, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Weinberg, am Montag in Berlin. „Der Sonnenkönig Spahn fühlt sich offenbar an Recht und Gesetz nicht gebunden.“

Weinberg bezieht sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2017. Das Gericht hatte damals entschieden, dass Schwerstkranken „in extremen Ausnahmesituationen“ der Zugang zu Medikamenten zur Selbsttötung nicht verwehrt werden dürfe.

Ablehnung in 102 Fällen

Der Berliner „Tagesspiegel“ hatte am Montag berichtet, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) habe in 102 Fällen auf Weisung des Bundesgesundheitsministeriums den Zugang zu tödlichen Medikamenten versagt.

In rund 30 weiteren Fällen sei noch keine Entscheidung getroffen worden, so das Blatt. Bereits im Herbst 2019 hatte die Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion mitgeteilt, beim BfArM seien bis dato 129 Anträge auf Zugang zu einem todbringenden Medikament eingegangen.

Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf die Lebensschutzorientierung im Grundgesetz. Es könne nicht Aufgabe des Staates sein, Selbsttötung aktiv zu unterstützen.

Gesundheitsminister Spahn will ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum geltenden Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe abwarten. Das Urteil ist für Ende Februar angekündigt.

Palliativmedizin nicht ausgeschöpft

Der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß verteidigte am Montag per Pressemitteilung das Vorgehen des BfArM, „die Selbsttötung von Schwerkranken nicht zu befördern“. Der Staat habe „nicht den Auftrag oder das Recht, Menschen direkt oder indirekt ins Jenseits zu befördern“. Die Möglichkeiten der Sterbebegleitung und Palliativmedizin seien in Deutschland „noch lange nicht ausgeschöpft“, betonte Krauß.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Bärbel Bas, erklärte, „bei mehr als 100 abgelehnten Anträgen liegt die Vermutung nahe, dass hier Einfluss auf die Entscheidung des Bundesinstitutes genommen wurde“.

Ein Bundesminister dürfe auf die Einzelfallprüfung aber „keinen Einfluss nehmen oder sogar Anweisungen erteilen“, die dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und dem Willen des Bundestages entgegenstünden.

Das Parlament habe 2015 beschlossen, dass die Beihilfe zur Selbsttötung in einem sehr begrenzten Rahmen straffrei sei, sagte Bas. (hom)

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