Kommentar zum Widerruf von COVID-Studien
Super-GAU der Wissenschaftskommunikation
Zwei Beiträge zur COVID-19-Therapie wurden trotz grober Fehler publiziert. Deutlich wird ein Versagen der Prüfinstanzen.
Veröffentlicht:Die Umstände um die jetzt zurückgezogenen Fachartikel zur Therapie bei COVID-19 mit Hydroxychloroquin/Chloroquin oder mit RAAS-Hemmern sind ein Super-GAU in der Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse. Mit dem „New England Journal of Medicine“ und „The Lancet“ sind daran zudem zwei Flaggschiffe der Medizinjournale beteiligt sowie Wissenschaftler und Ärzte aus der Ersten Liga medizinischer Hochschulen wie der Harvard Medical School oder dem Universitätsspital in Zürich.
Hydroxychloroquin und Antihypertensiva
Zwei große COVID-19-Studien zurückgezogen
Schon am Anfang der Publikationen waren grundlegende Regeln missachtet worden. So hatten bei dem Hydroxychloroquin-Artikel offenbar drei der vier Autoren keinen Zugriff auf die analysierten Primärdaten, konnten also die Basis der Erkenntnisse nicht beurteilen. Das zumindest legt die Mitteilung der Wissenschaftler zur Zurücknahme ihres Artikels nahe.
Und bei beiden Beiträgen hätten, nachdem sie zur Publikation eingereicht worden waren, offensichtliche Unstimmigkeiten der Daten im Peer Review und im editoriellen Prozess auffallen müssen, sagt Professor Jörg Meerpohl aus Freiburg dazu. Der Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin sieht hier eine Pflicht zu „200-prozentiger Sorgfalt“: Von vorneherein sei klar gewesen, dass die Studien eine große Bedeutung für das Management der Pandemie weltweit haben.
In Folge waren dann auch andere Studien zu Hydroxychloroquin gestoppt oder unterbrochen worden. Glücklicherweise haben die Fachblätter jetzt schnell reagiert und die umstrittenen Beiträge wurden zurückgezogen.
Forscher und Medizinredakteure müssen sich künftig wieder mehr auf wissenschaftliche und medizinische Werte besinnen und dürfen nicht weiter halb gare oder auch ungeprüfte Daten zu COVID-19 veröffentlichen. Nur so lässt sich Schaden von Patienten abwenden und Evidenz für den bestmöglichen Umgang mit der Pandemie sowie der Versorgung Betroffener generieren.
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