Ausstellung

Tierliebe – und was dahinter steckt

Dürfen wir um Haustiere trauern und ist es moralisch korrekt, dass manche Tiere verhätschelt werden, während andere bei Tierversuchen leiden? Das Deutsche Hygiene-Museum nähert sich diesen Fragen an.

Sven EichstädtVon Sven Eichstädt Veröffentlicht:
Ausstellungsbild von "Mim und Melanie": Gleichen sich Mensch und Tier nach einiger Zeit immer mehr?

Ausstellungsbild von "Mim und Melanie": Gleichen sich Mensch und Tier nach einiger Zeit immer mehr?

© Christoph Schwabe / Hygienemuseum Dresden

DRESDEN. Wie ist es um das Verhältnis zwischen Menschen und ihren Haustieren bestellt? Welche Arten von Freundschaft entwickeln sich zwischen ihnen und wie unterscheiden sich diese von denen zwischen Menschen? Mit solchen Fragen beschäftigt sich die Ausstellung "Tierisch beste Freunde" im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden, die noch bis zum 1. Juli zu sehen ist.

"Über Haustiere und ihre Menschen" heißt der Untertitel der Schau, der schon durch die Umkehrung des üblichen Verhältnisses zwischen Menschen und Haustieren andeutet, dass hier ungewöhnliche Perspektiven eingenommen werden und eben auch gefragt wird, wie das Verhältnis aus der Sicht der Tiere zu betrachten ist.

"In der westlichen Welt behandeln Haustierhalter ihre Haustiere, Hunde und Katzen vor allem, wie ihre besten Freunde und engsten Familienangehörigen, auch wenn sie durchaus Schwierigkeiten damit haben, Tieren insgesamt einen Personenstatus und quasi-menschliche Eigenschaften zuzuerkennen", sagt die Kulturwissenschaftlerin Iris Därmann.

Bei ihren eigenen Haustieren machten sie davon jedoch eine Ausnahme.

Mäntelchen und Anästhesie

"Sie sind ihnen anhänglich zugetan, geben ihnen Eigennamen, sprechen und spielen mit ihnen, führen sie täglich mehrfach aus, bedenken sie mit Zärtlichkeiten und Geschenken und scheuen keine Mühen, um ihnen das Leben auf jede erdenkliche Weise angenehm zu gestalten", ergänzt die an der Berliner Humboldt-Universität lehrende Professorin und führt als Beispiele "besondere Nahrung und Leckereien" an und dass "im Winter die Kleinsten unter ihnen wegen ihrer zarten Konstitution gekleidet" und generell "zum Friseur gebracht" werden.

Auch "ärztliche Betreuung erhalten und bei Operationen anästhesiert werden, damit ihnen unnötige Schmerzen erspart" blieben seien Punkte. Hinzu kommt, dass die Haustiere "bei Alleinstehenden an die Stelle eines Familienmitglieds" träten und menschliche Gemeinschaft ersetzten: "Mitunter konfliktfreier und zuverlässiger als es Menschen je tun würden."

Der Historiker Clemens Wischermann beobachtet, dass sich seit dem 19. Jahrhundert die Beziehungen zwischen Menschen und Haustieren stark emotionalisiert hätten und darin ein Kindheitsersatz zu sehen sei: "Die emotionale Zuwendung zum Tier entspringt dem Wunsch, diesem Lebewesen eine Kindheit zu ermöglichen, wie sie sich jeder Mensch für sich selbst wünscht."

Alles anders und besser machen

Der an der Universität Konstanz forschende Professor ergänzt, "für diese glückliche Kindheit sind keine Anstrengungen, keine Kosten zu viel, genauso wie man es auch von Eltern erwarten würde, die ihren Kindern eine glückliche Kindheit ermöglichen". Die Konstruktion einer Kindheit sei "so populär und gesellschaftlich vorherrschend im 20. Jahrhundert" geworden, dass "fast jeder Mensch beim Blick zurück in seine Kindheit behauptete, er oder sie habe eine sehr glückliche Kinderzeit gehabt."

Die emotionale Hinwendung eines Menschen zu einem Haustier erklärt Wischermann als Fortsetzung des Modells einer romantischen Kindheit, bei der die Tiere "zeitlebens in einem ambivalenten goldenen Zeitalter von Schutz und Repression" stehenblieben. Die Haustiere böten die Chance, "alles anders und besser zu machen".

Eine wichtige Frage ist für ihn auch, wie Menschen mit dem Tod ihrer Haustiere umgehen. "Ist Trauer um ein Tier gesellschaftlich legitim und wenn ja, in einer der Trauer um einen Menschen vergleichbaren Form?", fragt Wischermann. "Noch vor wenigen Jahren war in Mitteleuropa alle offen artikulierte und gezeigte Trauer um ein Tier anstößig."

Der Historiker erinnert daran, dass es 2004 in der Schweiz noch zu einem Skandal gekommen war, als in einer Zeitung eine Traueranzeige für eine tote Katze gedruckt war, während 2016 dann in einer Kölner Tageszeitung schon eine Todesanzeige in Form eines Jahresgedenkens für einen toten Hund erschien.

"Die scheinbar so menschliche Debatte um die Lebensverlängerung einschließlich ihrer ethischen Dimensionen und finanziellen Kosten hat heute längst auch die tierlichen Familienmitglieder erreicht und macht einen der weiteren Schlüsselmomente eines Pfades vom "Vieh" zum "Freund" aus", so Wischermann.

Grauenhafte Tierversuche

Und weiter: "Wenn eine derartig weitreichende menschenähnliche Anerkennung des Wertes individuellen tierlichen Lebens sich an der gesellschaftlichen Front durchsetzen sollte, dann wäre das das Ende des Zeitalters einer ,histoire humaine‘".

Die Publizistin Hilal Sezgin weist darauf hin, dass "streng genommen ja nur einige Hunde, Katzen und Kaninchen in den Genuss medizinischen Fortschritts kommen, während ihre Artgenossen im Namen der Medizin den grauenhaftesten Versuchen unterworfen wurden und werden". Die Schriftstellerin wirft die Frage auf: "Wieso sollen eigentlich Freundschaften nur in unseren Räumen, den Häusern und Ställen, möglich sein – wieso holen wir Tiere als Gefährten nicht zu uns?"

Sezgin schlägt vor, ob "man sich nicht auch eine Freundschaft zwischen einem Menschen und einem Fuchs vorstellen könnte, der während seiner abendlichen Runde auf der Terrasse vorbeischaut und sich einmal genüsslich den Rücken kraulen lässt, bevor er wieder nach Hause (oder wo Füchse sonst so hingehen) verschwindet?"

 Diese Fragen zeigen, dass die Geschichte der Beziehungen zwischen Haustieren und Menschen noch nicht zu Ende erzählt ist und auf neue Facetten wartet.

Die Ausstellung "Tierisch beste Freunde" ist noch bis zum 1. Juli 2018 im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden zu sehen. Alle Informationen: http://bit.ly/2DVyPjA

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