Kritik an DSGVO
Unfallchirurgen: Übertriebener Datenschutz gefährdet Menschenleben
Die Datenschutzgrundverordnung behindere den weiteren Ausbau des TraumaRegisters massiv und wirke sich so negativ auf die Qualität der Versorgung aus, kritisiert die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie.
Veröffentlicht:
Die Versorgung Schwerverletzter ist meist eine Stresssituation für alle Beteiligten. Den Patienten da gleich nach der Nutzung seiner Daten zu fragen, kaum zumutbar. Werden die Daten aber nicht gesammelt und genutzt, gehen wichtige Erkenntnisse verloren.
© gpointstudio / stock.adobe.com
Berlin. Die deutschen Unfallchirurgen sehen die Arbeit des TraumaRegisters durch zu strikte Datenschutzvorgaben gefährdet. Ursache sei die 2018 in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Seither gebe es erhebliche formale und inhaltliche Unsicherheiten und Hürden, wenn Unfallchirurgen das Einverständnis der Patienten für die Aufnahme von Versorgungsdaten in das Register einholen wollten, um der Forderung der externen Qualitätssicherung nachzukommen, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU).
„Die Einwilligungserklärung stellt bei schwerverletzten Patienten regelmäßig eine organisatorische und ethisch höchst schwierige bis unlösbare Herausforderung dar“, so die DGU. Experten fordern deshalb eine erneute gesetzliche Regelung, damit das Register auch ohne Einwilligungserklärung lückenlos weiterbetrieben werden könne. „Seit über zwei Jahren setzen wir uns dafür ein, dass wir pseudonymisierte Daten rechtssicher verwenden dürfen. Datenschutz ist gut und richtig. Aber übertriebener Datenschutz macht unser seit fast 30 Jahren bestehendes TraumaRegister nun zunichte und gefährdet damit Menschenleben“, kritisiert DGU-Präsident Professor Michael J. Raschke.
Zahl der erfassten Daten deutlich zurückgegangen
Nach DGU-Angaben wurden seit Bestehen des Registers durchschnittlich 30 .000 neue Datensätze pro Jahr im TraumaRegister angelegt. Im Jahr 2018 seien es aber bereits sechs Prozent weniger gewesen, ein Jahr später sei die Quote sogar schon um 17 Prozent gesunken.
Es bestehe die Gefahr, dass die Daten künftig nur noch eingeschränkt die Realität widerspiegeln können, so die DGU. „Das ist eine besorgniserregende Entwicklung, die wir unbedingt stoppen müssen“, sagt DGU-Generalsekretär Professor Dietmar Pennig. Der fehlende rechtssichere und gleichzeitig praktikable Umgang mit dem Datenschutz mache die Qualitätssicherung in allen Bereichen der Akut- und Notfallmedizin de facto unmöglich.
Die Unfallchirurgen fordern deshalb, die Förderung von Akut-Registern gesetzlich zu regeln. „Unser Schwerverletztenregister gehört zur Daseinsfürsorge und verbessert stetig die Patientenversorgung. Mit einem Registergesetz wäre die Erlaubnis zur Datenverwendung gegeben“, sagt Pennig.
Nur die behandelnde Klinik kann Daten zurückverfolgen
Das TraumaRegister der DGU ist eine zentrale Datenbank, in die Kliniken pseudonymisierte Behandlungsdaten von Schwerverletzten eingeben. Die Daten stammen aus den vier aufeinanderfolgenden Phasen Präklinik, Schockraum und OP, Intensivstation sowie Entlassung. Erfasst werden Daten über Alter, Verletzungsmuster, andere Grunderkrankungen, präklinisches und klinisches Management, intensivmedizinischen Verlauf und wichtige Laborbefunde einschließlich Bluttransfusionsdaten.
Laut DGU sind die Daten nach aktuellen Standards gesichert. Entschlüsselung und Rückverfolgung zum Patienten könne nur das behandelnde Krankenhaus veranlassen.
„Durch die Analyse der Daten können wir sehen, wo es in der Versorgung hakt und an welchen Stellen wir besser werden müssen“, sagt Professor Gerrit Matthes, Leiter der DGU-Sektion Notfall-, Intensivmedizin und Schwerverletztenversorgung. Mit Ergebnissen, die einen Überlebensvorteil aufzeigten, würden Diagnostik und Therapie kontinuierlich verbessert.
Weltweit führendes Schwerverletztenregister
Die Ergebnisse aus der Versorgung werden im TraumaRegister DGU-Jahresbericht zusammengefasst und den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt. Das helfe den Ärzten, ihre eigenen Prozesse zu prüfen und bei Bedarf zu verbessern. Dafür sei es wichtig, auch Daten von Patienten aufzunehmen, die nicht mehr gerettet werden konnten.
Das TraumaRegister sammelt und analysiert seit 1993 Behandlungsverläufe schwerverletzter Patienten. Mit mehr als 270 .000 dokumentierten Verläufen habe es sich zu einem der weltweit führenden Schwerverletztenregister entwickelt, so die DGU. In den vergangenen 25 Jahren seien fast 400 Publikationen zu verschiedenen wissenschaftlichen Fragestellungen von forschenden Unfallchirurgen veröffentlicht worden. Darunter seien Forschungsergebnisse, die einen wegweisenden Einfluss auf die Weiterentwicklung von Behandlungskonzepten gehabt hätten.
So seien die Ergebnisse in die Versorgungsleitlinien und Empfehlungen der DGU aufgenommen worden. Zum Beispiel in die S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung und das Weißbuch Schwerverletztenversorgung. Sie sind Handlungsgrundlage für Ärzte aus über 600 Traumazentren der Initiative TraumaNetzwerk, so die DGU.