Integrierte Notfallzentren
Vertragsärzte und Kliniken im Clinch
Die Krankenhauslobby und die Vertragsärzte ringen im Vorfeld eines Gesetzgebungsverfahrens um Teile des ambulanten Sicherstellungsauftrags. Jetzt bezog KBV-Chef Gassen Stellung.
Veröffentlicht:LIEBENBERG. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) will die geplanten Integrierten Notfallzentren (INZ) an den Kliniken am liebsten ohne das Vertragsarztsystem umsetzen. Darauf hat DKG-Präsident Dr. Gerald Gaß unlängst hingewiesen.
Ein Diskussionsentwurf aus dem Gesundheitsministerium sieht dagegen vor, dass Vertragsärzte und Krankenhäuser die INZ in gemeinsamer Verantwortung und wirtschaftlich unabhängig errichten und betreiben sollen.
Darauf reagiert die Klinik-Lobby allergisch. Gaß sagte, die Kliniken könnten die Zentren alleine betreiben und die Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten ohne die KVen „im Sinne einer guten und nachhaltigen Organisation der ambulanten Notfallversorgung bewerkstelligen“.
KBV-Chef: „In Ordnung, aber ...“
KBV-Chef Dr. Andreas Gassen reagierte entspannt. „Wenn die DKG die ambulante ärztliche Akutversorgung im Krankenhaus machen möchte, dann ist das auch in Ordnung,“ sagte Gassen am Mittwoch im brandenburgischen Liebenberg. Das sei eine politische Entscheidung.
„Entweder machen wir die ambulante Akutversorgung, was wir qua Sicherstellungsauftrag auch machen sollen und auch machen können, oder man sagt, die Krankenhäuser sollen alles machen“, so Gassen.
Dann stelle sich aber die Frage, ob die Kliniken den zusätzlichen Personalbedarf abdecken könnten, den diese „Doppelbelastung“ mit sich bringe. Die Häuser klagten aber heute schon über Personalprobleme, sagte Gassen. Er könne sich daher gut vorstellen, „dass Herr Gaß das noch einmal auf dem Bierdeckel durchrechnet und feststellt: Das könnte allein von der ärztlichen Ressource her knapp werden“.
KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister ergänzte: „Ich brauche die Kliniken für echte klinische Notfälle. Ich brauche sie aber nicht für die ambulante Versorgung im Krankenhaus.“
Entscheide sich der Gesetzgeber am Ende dazu, den KVen den Sicherstellungsauftrag wegzunehmen, dann wirke das zerstörerisch für eine an sich bewährte Versorgungsebene, betonten beide.
Laut KBV stehen derzeit an knapp 800 Standorten in Deutschland Bereitschaftsdienstpraxen für die ambulante Versorgung außerhalb der üblichen Sprechstundenzeit bereit. Diese Praxen sind meist an Kliniken eingerichtet und werden über die jeweilige KV organisiert, betrieben und finanziert.
Hofmeister: „Klare Regeln!“
Auch die KBV hat eigene Vorstellungen von der Organisation der INZ. „Physikalisch“ könne man sich das Ganze als eine „rote Linie“ auf dem Boden vorstellen, die Bereitschaftsdienst und Notaufnahme trenne, so Hofmeister.
Gleichwohl seien beide auch „gut vernetzt und durchlässig“. Entpuppe sich etwa ein Patient, der zu Fuß in ein INZ komme, als Notfall, werde er sofort in die stationäre notfallmedizinische Versorgung gebracht.
„Ich sehe hier weder die Notwendigkeit, einen dritten Sektor schaffen zu müssen, noch sehe ich eine gemischte oder gemeinsame Zuständigkeit“, sagte Hofmeister. „Was ich sehe, ist eine integrierte, das heißt unter einem Dach nach klaren Regeln organisierte Kooperation zwischen ambulanter Akutversorgung und stationärer Notfallversorgung.“
Als kontraproduktiv stufte die KBV-Spitze auch einen unscheinbaren Passus im Gesetzentwurf zur Notfallreform ein, wonach der Sicherstellungsauftrag für die ambulante ärztliche Versorgung in der Zeit zwischen 18 Uhr und acht Uhr nicht bei den KVen, sondern bei den Ländern liegen soll. „Das ist versorgungspolitisch ein Spiel mit dem Feuer“, warnte Gassen.
Die Länder würden in diesem Fall schnell merken, „dass sie zwar den Sicherstellungsauftrag haben, aber keine Ärzte, die ihn erfüllen können“. Er setze darauf, dass den Verantwortlichen in den Ländern nach womöglich anfänglicher Euphorie dämmere, dass der Sicherstellungsauftrag bei den KVen besser aufgehoben sei.
„Ansonsten sage ich nur: viel Vergnügen damit.“ Es sei nicht unbedingt „spaßbewehrt“, 24 Stunden an sieben Tagen die Woche Notfallpraxen aufrechtzuerhalten und Kollegen dazu verpflichten, dort Dienst zu schieben, betonte Gassen.
KBV: Klare Vorstellungen
Die KBV hat eine klare Vorstellung, wie die geplanten „Integrierten Notfallzentren“ (INZ) an Krankenhäusern funktionieren sollen. Der Zugang zu den Zentren müsse immer über einen Eingang für „Fußgänger“ und einen weiteren „Liegendeingang“ erfolgen, sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister.
„Jeder, der zu Fuß in ein INZ kommt, wird dort gesehen – und zwar nach den Regeln des ambulanten Bereitschaftsdienstes“, sagte Hofmeister. Der Patient müsse sich allerdings vorher über die Bereitschaftsdienstnummer 116.117 im INZ anmelden. So verhindere man einen ungebremsten Patientenzustrom außerhalb der Sprechstundenzeiten.
Patienten, die liegend kämen – sei es aus dem Notarztwagen, dem Rettungswagen oder dem Rettungshubschrauber – würden wiederum „selbstverständlich in den Schockraum des Krankenhauses gebracht, wo sie nach notfallmedizinischen Standards triagiert werden“.
„Nur Häuser der Maximalversorgung“
Dafür seien Krankenhäuser zu identifizieren, an denen INZ angesiedelt werden könnten, so Hofmeister „Das können aber nur die Häuser sein, die eine vollumfängliche Notfallversorgung bieten.“
Auch KBV-Chef Dr. Andreas Gassen stellte hier klar: „Es ist selbsterklärend, dass das nicht alle 2000 Kliniken machen können. Das können am Ende nur Häuser der Maximalversorgung sein.“ Die KBV hatte zuletzt von rund 730 Standorten gesprochen, die für ein INZ infrage kämen.
INZ spielen eine zentrale Rolle bei der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplanten Reform der Notfallversorgung. Ein Grund für die Reform ist das gehäufte Aufsuchen der Notaufnahmen in den Kliniken, insbesondere nachts und an Wochenenden. Das führt zur Überlastung vieler Notaufnahmen, die sich eigentlich um schwere, lebensbedrohliche Fälle kümmern sollen.
Wir haben den Beitrag aktualisiert am 22.08.2019 um 15:18 Uhr.