Sachsen-Anhalt

Vorrang für Landeskinder im Medizinstudium?

Bereits zum 20. Mal treffen sich Ärzte, Gesundheitspolitiker und Verbandsvertreter in Dessau, um über die Zukunft der Versorgung auf dem Land zu sprechen. Für Hausärzte ist die Nachwuchsfrage drängend – und oft Familiensache.

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Voller Hörsaal in Halle: Werden „Landeskinder“ an der Medizinischen Fakultät bald bevorzugt?

Voller Hörsaal in Halle: Werden „Landeskinder“ an der Medizinischen Fakultät bald bevorzugt?

© Waltraut Grubitzsch / dpa

DESSAU. Etwa 800 Hausärzte könnten Sachsen-Anhalt in acht Jahren fehlen. Ein Problem, dem sich nicht nur Mediziner stellen wollen. Bereits zum 20. Mal haben sich Hausärzte aus Sachsen-Anhalt mit Gesundheitspolitikern sowie Kassen- und Standesvertretern zum gesundheitspolitischen Dialog in Dessau getroffen. Doch noch nie gab es zwischen ihnen so viel Konsens wie in diesem Jahr.

Die Frage, ob und wie künftig hausärztliche Versorgung insbesondere auf dem Lande gesichert werden kann, bewegt sie alle. Vieles ist in Sachsen-Anhalt bereits auf den Weg gebracht: Stipendien für angehende Mediziner, die sich nach der Weiterbildung in Sachsen-Anhalt niederlassen wollen, die Klasse Allgemeinmedizin an der Universität Halle, Anschubfinanzierungen, Sicherstellungszuschläge.

"Die Blödesten werden Hausärzte"

Doch zum großen Befreiungsschlag hat es noch nicht gereicht. Da kommt der Masterplan Medizinstudium 2020 gerade recht. Das Ende März nach langem Streit zwischen Bund und Ländern vereinbarte Reformpaket stellt es den Ländern frei, sich für oder gegen eine Landarztquote zu entscheiden.

Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) bezeichnete die Quote als Chance, die insbesondere "Landeskindern" zugutekommen sollte. "Um das auch beim Wissenschaftsminister durchzusetzen, brauche ich ihre Unterstützung", warb sie in Dessau. "Ich möchte gemeinsam mit ihnen ein Punkteprogramm zur bevorzugten Annahme von Medizinstudenten aus Sachsen-Anhalt entwickeln. Wenn es darum geht, die ländliche Region gut zu versorgen, sollten wir jeden Weg gehen."

"Wir brauchen auch in Magdeburg eine Klasse Allgemeinmedizin wie in Halle", sagte Dr. Burkhard John, Vorstand der KV Sachsen-Anhalt, der zugleich mahnte: "Wenn es eine Landeskinderquote geben sollte, dann nur in Verbindung mit exzellenter Ausbildung, die die Attraktivität des Studiums weiter erhöht." Nur so könne das Vorurteil "die Blödesten werden Hausärzte" im Keim erstickt werden.

Nachwuchs für den Fliesenleger

Dr. Gitta Kudela sprach sich nachdrücklich dafür aus, Landeskindern den Weg zum Studium zu ebnen. "Wir bereiten das Feld, Hege, Pflege und Ernte müssen sie selbst übernehmen." Die Hausärztin bezeichnete es als großes Glück, dass beide Söhne in ihre Fußstapfen treten und ihre Praxis übernehmen konnten.

Dr. Torsten Kudela: "Ein Fliesenleger zieht nach Möglichkeit auch seinen Sohn als Nachfolger heran. Wenn sich Kinder von Ärzten, die nebenbei schon so viel von der Arbeit ihrer Eltern mitbekommen haben, deshalb oder dennoch für ein Medizinstudium entscheiden, sollte das auch honoriert werden. Außerdem: Wenn es für Bundeswehrsoldaten eine Quote gibt, warum nicht auch für Landeskinder?"

Die würde dem Sohn von Drs. Astrid und Wolfgang Herzog aus Gommern bestimmt zugutekommen. Der 20-Jährige möchte in die Fußstapfen seiner Eltern treten. Mit der Abinote 1,9 wurden ihm allerdings 14 Wartesemester auferlegt, deshalb arbeitet er derzeit als Rettungssanitäter.

Wolfgang Herzog: "In sieben Jahren haben wir immer noch keinen Nachfolger und unser Sohn fährt Rettungswagen." "Wir werden Wege finden und wir sind auch bereit, zu experimentieren", zeigte sich Grimm-Benne zuversichtlich.

Sie bedankte sich bei den Hausärzten für die vertrauensvolle Atmosphäre und gestand, mit etwas Muffensausen nach Dessau gekommen zu sein. Denn der Ministerkollege Reinhard Nehring habe im Vorfeld gewarnt, dass bei solchen Treffen Ministerschelte nicht selten ist. "Wir stehen in einer Front. Das hat der heutige Tag gezeigt", sagte sie erleichtert.

Masterplan Medizinstudium

- Zulassung: Neben der Abitu- note zählen künftig auch soziale und kommunikative Fähigkeiten sowie Leistungsbereitschaft.

- Praktisches Jahr: Umstellung von Tertialen auf Quartale, eins von zwei neuen Wahlfächern muss in der ambulanten Versorgung absolviert werden.

- Prüfung: Im Staatsexamen wird künftig verpflichtend Allgemeinmedizin geprüft.

- Landarztquote: Die Länder können bis zu zehn Prozent der Studienplätze vorab an Bewerber vergeben, die sich verpflichten, nach der Weiterbildung hausärztlich für bis zu zehn Jahre in schlecht versorgten Regionen zu arbeiten.

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