Programm zur Bundestagswahl

Gesundheitssystem: Was die SPD gerne verändern würde

Am Montag haben die Sozialdemokraten ihre vier „Zukunftsmissionen“ für die Bundestagswahl vorgestellt. So nimmt sich die SPD eine Verlagerung der ambulanten Versorgung an die Krankenhäuser vor – und eine Bürgerversicherung.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Auf dem Weg zur Vorstellung des SPD-Wahlprogramms: Bundesfinanzminister Olaf Scholz (Mitte) sowie die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans (l).

Auf dem Weg zur Vorstellung des SPD-Wahlprogramms: Bundesfinanzminister Olaf Scholz (Mitte) sowie die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans (l).

© dpa

Berlin. Die SPD feilt weiter an ihrem Wahlprogramm, das in der Diktion der Partei „Zukunftsprogramm“ heißen soll, aber auch schon unter „Regierungsprogramm“ läuft. Nach einem ersten Aufschlag am 7. Februar haben die Sozialdemokraten am Montag eine erweiterte Fassung vorgelegt. Beschlossen werden soll das Programm auf dem Parteitag im Mai.

Eine flächendeckende ambulante Versorgung sehen die Genossen eher über die Krankenhäuser gewährleistet. „Kostenminimierung“ dürfe im Gesundheits- wie im Bildungssystem und der Justiz nicht das Maß der Dinge sein, heißt es in dem Programm.

Vier Zukunftsmissionen

Vier „Zukunftsmissionen“ nimmt sich die SPD vor. So soll Deutschland bis 2050 klimaneutral wirtschaften und leben, das modernste Mobilitätssystem Europas aufbauen und schon in den 20er-Jahren zur Gigabit-Gesellschaft mit Breitbandversorgung bis in den letzten Winkel werden, und zwar souverän – ohne sich von den digitalen Plattform-Konzernen abhängig zu machen.

„Wir sind als erste auf dem Platz, mit Kanzlerkandidat und einem Programmentwurf für den Parteitag“, sagte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Montag. Bei der Wahl gehe es nicht darum, wer Koalitionspartner der CDU werde, sondern darum, einen Regierungswechsel herbeizuführen, sagte Scholz.

Neuordnung der Versorgung

Eine von vier „Zukunftsmissionen“ ist die Gesundheitspolitik. Das Wort „niedergelassen“ kommt im Programm genau zweimal vor – einmal im Zusammenhang mit einer „Neuordnung“ der Rollenverteilung zwischen ambulantem und stationärem Sektor, in der Dienstleistungen von niedergelassenen Teams und Krankenhäusern gemeinsam erbracht werden sollen. Ein anderes Mal im Zusammenhang mit staatlichen Unterstützungsangeboten für Pflegekräfte und Ärzte zur Bewältigung der digitalen Transformation.

„Wir brauchen eine stärkere Öffnung von Krankenhäusern für die ambulante Versorgung“, merken die Autoren an. Unterstützen wollen die Genossen folgerichtig „teambasierte Formen der ambulanten Versorgung“. In der stationären Kinder- und Jugendmedizin soll eine bedarfsgerechte Grundfinanzierung der Kliniken an die Stelle einer Finanzierung über Fallpauschalen treten.

Esken: Der Realität ins Auge blicken

„Wir müssen der Realität ins Auge blicken, dass wir die ambulante Gesundheitsversorgung in der Fläche nur noch schwer aufrecht erhalten können“, sagte SPD-Vorsitzende Saskia Esken auf Nachfrage bei der Vorstellung des Programms am Montagnachmittag. Insbesondere junge Medizinstudenten seien nicht gewillt, auf dem Land rund um die Uhr Landarzt zu sein. Der Trend gehe daher auch bei den niedergelassenen Ärzten zur angestellten Tätigkeit. Dem müsse die Gesellschaft Rechnung tragen, sagte Esken.

Von der „Wiederbelebung“ der Gemeindeschwester bis zur digitalen Verknüpfung der Sektoren müsse alles getan werden, um die Versorgung in der Fläche sicherzustellen, betonte die SPD-Chefin.

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SPD will digitale Potenziale nutzen

Die Pandemie hat Spuren im Programm hinterlassen. So soll der öffentliche Gesundheitsdienst mit mehr digitaler Infrastruktur unterstützt werden. Überhaupt sollen digitale Potenziale in der „flächendeckenden gesundheitlichen Versorgung“ entschlossener genutzt werden. Eines sei aber klar: „Die Digitalisierung wird unser hervorragendes und engagiertes medizinisches Personal nicht ersetzen.“

Die Förderung des Impfstoffherstellers BioNTech wird als Beleg dafür angeführt, dass „die Gesundheitswirtschaft kein reiner Markt ist und eine aktive Rolle des Staates Leben retten kann“. SPD-Politik soll daher dafür stehen, die „besten Medikamente und medizinischen Produkte“ zu entwickeln.

Deshalb müsse in die Forschung investiert werden, auch in die der personalisierten Medizin. Die „maßgefertigten Produkte“ sollen den Anfang einer „neuen Gesundheitswirtschaft“ markieren, in der häufiger als heute diagnostische Tests und Medikamente als Einheit angeboten würden.

„Wir müssen diese Produkte wieder selbst herstellen“, sagte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans. Die Forschungsinitiative soll bei der Entwicklung neuer Arzneien zudem die gesundheitlichen Bedürfnisse von Frauen und Kindern stärker in den Blick nehmen.

Ziel: Bürgerversicherung

Finanziert werden soll die Gesundheitsversorgung aus einer Bürgerversicherung. Zudem soll die Renditeorientierung im Gesundheitswesen begrenzt werden. „Gesundheit ist keine Ware“, heißt es im Programm. Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemeinschaft erwirtschaftet würden, müssten daher „zumindest mehrheitlich“ wieder ins Gesundheitssystem zurückfließen.

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Kommentare
Dr. Christoph Luyken 02.03.202120:20 Uhr

Wir haben es alle erlebt: Seit vielen Jahren hat die Gesundheitspolitik alles getan, um niedergelassene Ärzte zu vergraulen, jungen nachrückenden Ärzten die Lust an der Niederlassung zu vermiesen und die Institution „Hausarzt“ ersatzlos abzuschaffen.
Warum? Die Antwort steht im 2. Absatz des Artikels: „Eine flächendeckende ambulante Versorgung sehen die Genossen eher über die Krankenhäuser gewährleistet.“ So, so! Anscheinend hat man aber vergessen, daß ein anderes Betätigungsfeld der Gesundheitsstrategen seit Jahren darin besteht, Betten abzubauen und Krankenhäuser, v.a. „in der Fläche“ zu schließen. Und so muß sich Frau Eskens tatsächlich eingestehen, „… daß wir die ambulante Gesundheitsversorgung in der Fläche nur noch schwer aufrecht erhalten können.“ Das kann also nichts geben mit der Gewährleistung einer flächendeckenden Versorgung durch nicht mehr vorhandene Krankenhäuser!
Und nun - wird man sich schnellstens daranmachen, durch geeignete Maßnahmen bei jungen Ärzten wieder Lust an der Niederlassung zu wecken? Weit gefehlt! Wir lesen: „Von der „Wiederbelebung“ der Gemeindeschwester bis zur digitalen Verknüpfung…“ soll demnach „alles getan“ werden, um die medizinische “Versorgung in der Fläche“ künftig überwiegend durch medizinische Hilfskräfte und bürokratische Maßnahmen „sicherzustellen“!
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