Buchtipp
Wettbewerb - das unvollendete Werk
Cassel, Jacobs, Vauth, Zerth (Hrsg.): Solidarische Wettbewerbsordnung, medhochzwei-Verlag, 79,99 Euro.
Ärzte verbinden mit dem 1993 in Kraft getretenen Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vor allem die Einführung der strikten Honorarbudgetierung, damals in Verbindung mit einem Kollektivregress bei Überschreitung des Arzneimittelbudgets.
Mindestens genauso tiefgreifend wie die Ausgabenbudgetierung war jedoch die Einführung wettbewerblicher Prinzipien in der gesetzlichen Krankenversicherung. Alle GKV-Versicherten erhielten die Freiheit der Wahl ihrer Krankenkassen, der Status-Unterschied zwischen Angestellten und Arbeitern verschwand, zum Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen einzelner Kassen wurde der Risikostrukturausgleich eingeführt.
Während die Budgetierung in der Zwischenzeit gelockert wurde und das Prinzip der einnahmenorientierten Ausgabenpolitik durch eine Morbiditätsorientierung ersetzt wurde, gilt die Entscheidung zugunsten einer solidarischen Wettbewerbsordnung als unumkehrbar.
Mit einer Bilanz dieser nun über 20 Jahre dauernden Phase beschäftigt sich das Autorenteam des von den Gesundheitsökonomen Dieter Cassel, Klaus Jacobs, Christoph Vauth und Jürgen Zerth herausgegebenen Buchs "Solidarische Wettbewerbsordnung".
Und diese Bilanz fällt nach einhelliger Auffassung eigentlich aller Autoren zwiespältig aus.
So heißt es im Fazit: "Im Rückblick auf mehr als 20 Jahre gesundheitspolitischer Gestaltung wird deutlich, dass die Richtungsentscheidung für eine Solidarische Wettbewerbsordnung zwar getroffen wurde und diese Gestaltungsoption von den Versicherten bzw. Patienten angenommen wird, dass aber gleichwohl die konkreten gesundheitspolitischen Reformschritte zu stark am Einzelfall orientiert waren."
Beispielhaft stehen hierfür die vielfachen Änderungen an Paragraf 73 b zur hausarztzentrierten Versorgung. Oder die Ungeduld mit der integrierten Versorgung und ihrer bürokratischen Überfrachtung.
Oder auch der Einfallslosigkeit der Gesundheitspolitik: So werde im aktuellen Koalitionsvertrag Wettbewerb eher "beiläufig" erwähnt, von "konzeptionellem wettbewerblichen Gestaltungswillen" sei überhaupt nichts zu spüren". Mit welchem Ergebnis, das sei bei konkreten Projekten wie dem Innovationsfonds und dem geplanten Qualitäts- und Transparenzinstitut zu besichtigen.
Beide Projekte werden in die Hand des Gemeinsamen Bundesausschusses gelegt - und damit werde "der Bock zum Gärtner gemacht, denn der GBA wird aufseiten der Leistungserbringer mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung von zwei Institutionen gebildet, deren Existenzgrundlage gerade in der sektoralen Abschottung der Versorgungslandschaft liegt".
Oder anders gesagt: Die Politik hat nicht begriffen, dass Wettbewerb ein Entdeckungsverfahren ist, das Pluralität und nicht Einheitlichkeit benötigt.
Vielfalt und unterschiedliche Qualitäten vereinigen sich in diesem Buch, auch manche Redundanz kann den Leser etwas Zeit kosten, was daran liegt, dass die Autoren sich nicht intensiv untereinander abgestimmt haben. Selektives Lesen ist deshalb angesagt.