Organspende
Widerspruchslösung oder nicht? Das ist hier die Frage
Gibt es bei der Organspende auch für Bundesbürger bald die Widerspruchslösung? Gesundheitsminister Jens Spahn ließ die Antwort offen. Fest steht aber, dass er das derzeitige Entscheidungsverfahren zügig überarbeiten will.
Veröffentlicht:KIEL. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will nach der Sommerpause einen Entwurf vorlegen, wie auf den Engpass an Organspenden reagiert werden sollte. Bei einem Besuch des Transplantationszentrums am Universitätskrankenhaus Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel vermied er Festlegungen. "Wir werden uns in Ruhe alle Vorschläge anschauen und nach dem Sommer einen Vorschlag machen", sagte Spahn in Kiel.
Die von Schleswig-Holsteins Landesgesundheitsminister Dr. Heiner Garg (FDP) zuvor ins Spiel gebrachte verpflichtende Entscheidungslösung nannte Spahn "interessant". Garg will erreichen, dass jedem Menschen beim Beantragen behördlicher Dokumente eine Entscheidung abverlangt wird, ob er potenzieller Organspender sein möchte oder nicht. "Das Recht auf Nichtentscheidung wäre bei dieser Lösung nicht mehr gegeben – und das ist von mir auch so gewollt", erklärte Garg.
Mehrheit für Widerspruchslösung
Spahn rief in Kiel dazu auf, über Organspenden öffentlich und innerhalb der Familie stärker zu diskutieren. "Jeder sollte sich mit diesem Thema beschäftigen und möglichst zu einer Entscheidung kommen, ob er Organspender sein möchte. Die Antwort darf auch ein Nein sein", betonte Spahn.
Eine repräsentative Umfrage der Barmer unter ihren Versicherten zeigt, dass sich 14 Prozent der Befragten noch nie mit dem Thema Organspende beschäftigt haben, 60 Prozent nur "ein bisschen" und 26 Prozent intensiv. Laut Umfrage gibt es eine Mehrheit (58 Prozent) für die sogenannte Widerspruchslösung. Nach dieser Lösung wäre jeder Deutsche automatisch Organspender, wenn er nicht ausdrücklich widerspricht.
Bislang ist es umgekehrt: Bei der geltenden Lösung muss der postmortalen Organentnahme ausdrücklich zugestimmt werden. Den dafür erforderlichen Organspenderausweis zeigten in Kiel sowohl Spahn als auch die UKSH-Patientinnen Karin Kukshaus und Maren Grotkopp in die Kameras.
Von Kukshaus erfuhr der Bundesgesundheitsminister, wie erleichtert und dankbar sie nach der Meldung einer Spende im Jahr 2013 war. Bei der damals 17-Jährigen war akutes Leberversagen festgestellt worden. Sie erhielt das Organ eines Unfallopfers, das einen Spenderausweis bei sich trug.
Die Warteliste ist lang
Maren Grotkopp dagegen wartet schon seit längerer Zeit und ist zudem auf der Warteliste in den vergangenen Wochen nach unten gerutscht. "Das ist in Ordnung, solange es mir gesundheitlich gut geht. Ich weiß aber auch, wo es hingehen kann", sagte die Patientin.
Spahn zeigte sich insgesamt angetan von der Arbeit des Zentrums, an dem derzeit rund 400 Menschen betreut werden, die auf ein Spenderorgan warten. Bundesweit warten fast 10.000 auf ein Spenderorgan.
Zum Tag der Organspende, der am Samstag begangen wurde, hatte es neben Gargs Vorstoß weitere Vorschläge gegeben, wie auf den Engpass reagiert werden sollte. Barmer-Chef Professor Christoph Straub räumte zwar eine Informationspflicht der Krankenkassen ein, forderte aber auch schärfere Regeln: "Wir brauchen strenge Qualitätsvorgaben für Transplantationszentren, etwa durch gesetzlich fixierte Mindestmengen für Transplantationen." Außerdem müsse dafür gesorgt werden, dass Transplantationszentren und nachversorgende Praxen enger kooperieren.
"Während Patienten hierzulande durchschnittlich sechs Jahre auf eine Niere warten, sind es in Österreich nur 18 Monate und in Spanien sogar nur 12 Monate", kritisierte indes Professor Harald Klüter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI).
Die DGTI plädiert daher für die rasche Einführung der Widerspruchslösung und von Transplantationsbeauftragten in Kliniken.