"Ärztlich willkommen"

Wie Kommunen um Ärzte werben

Mit dem griffigen Slogan "Ärztlich willkommen" wollen 26 Kommunen in der Mitte Niedersachsens ärztlichen Nachwuchs aufs Land holen, denn die Versorgung droht schlechter zu werden. Auch für Familien der Ärzte gibt es Anreize.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Kommunalpolitiker und KVN-Vorstandsvorsitzender Mark Barjenbruch (Mitte) bei der Auftaktveranstaltung zu „ärztlich willkommen“ in Sulingen.

Kommunalpolitiker und KVN-Vorstandsvorsitzender Mark Barjenbruch (Mitte) bei der Auftaktveranstaltung zu „ärztlich willkommen“ in Sulingen.

© KVN

SULINGEN. "Ärztlich willkommen" - auf diesen Slogan wäre er selber gerne gekommen — und zwar für den ganzen Bereich der KV Niedersachsen (KVN), sagte Mark Barjenbruch, Vorstandsvorsitzender der KVN.

Nun gilt er also nur für die Mitte des Landes, genauer gesagt für 26 Kommunen der Landkreise Nienburg/Weser und Diepholz und der Samtgemeinde Thedinghausen, allesamt vor allem ländlich, bäuerlich, weitläufig.

Viele ihrer Vertreter, Bürgermeister, Landräte und KV-Mitarbeiter haben sich in Sulingen getroffen um als Initiatoren den Start der Werbekampagne "ärztlich willkommen" zu feiern. Sie ist auf drei Jahre angelegt und soll junge Ärzte auf's Land locken, "ins Herz Niedersachsens", wie sie sagen.

Dazu werben sie mit den Vorzügen der Natur, der Gemeinschaft auf dem Lande und dem Miteinander. Sulingen ist mit 13 000 Einwohnern das Mittelzentrum der Region. Drumherum liegen weite Weizenfelder und winzige Orte, abgesehen vom Landgasthof oft ohne jede Infrastruktur.

Ganz gelassen niederlassen

Auf dem Podium in der alten Sulinger Bürgermeisterei ist eine Bank aufgestellt in Grün und Blau, den Farben der Kampagne. "Ganz gelassen niederlassen" steht darauf. Sie und ein paar andere Exemplare sollen immer wieder an anderen Orten in den Gemeinden präsentiert werden, um für neue Ärzte in der Region zu werben.

Dass in der Region für die Region geklappert wird, sei Teil der Idee, sagt Gordon Gröfke, Geschäftsführer der Kieler Agentur "marktrausch", die das Ganze entwickelt hat.

Die Kommunikation soll über die Bürger laufen mit einem Internetauftritt (www.aerztlich-willkommen.de), Plakaten und eben der Bank. "Wir müssen erst einmal die Region klar kriegen. Dann wenden wir uns im Herbst an die Universitäten", sagt Gröfke.

Mit Beginn des Wintersemesters werden an den Universitäten Göttingen, Hannover und Oldenburg "Atmosphäre Info-Lounges" eingerichtet, in denen die Gemeinden für sich werben.

Und im nächsten Frühling finden die Medizinstudierenden zum Beispiel eine Box mit Blumensaat am Fahrradlenker. Aufschrift: "ärztlich willkommen". Wer Interesse zeigt, wird von Regionslotsen und Ortslotsen betreut.

Die Gemeinden wollen sich bemühen, auch Ehemännern und -frauen der künftigen Ärztinnen und Ärzte Jobs zu bieten. "Wenn man die Partner der Ärzte bekommt, dann bekommt man auch die Ärzte", so einer der Gemeindebürgermeister im Publikum.

Unternehmen sind mit im Boot

Und ein anderer: "Wenn die Kinder erst einmal hier eingeschult sind, dann gehen die Familien nicht mehr weg." Deshalb haben die Initiatoren Unternehmen als potenzielle Arbeitgeber mit ins Boot geholt.

So saß Dr. Michael Stalp, ärztlicher Direktor der Helios Kliniken Mittelweser GmbH, auf dem Podium. "Wir haben dasselbe Problem des potenziellen Ärztemangels wie die KVN", so Stalp, "wir wollen darum in Weiterbildungsverbünden den jungen Assistenzärzten zur Verfügung stehen."

Das fördere die Kommunikation und Zusammenarbeit später, wenn die ehemaligen Assistenten sich niedergelassen haben. "Bei fachlichen Fragen können sie dann auch mal ihren alten Chef im Krankenhaus anrufen."

Noch ist der Ärztemangel indessen nicht zu spüren, was auch Barjenbruch einräumt. In Nienburg liegt der Versorgungsgrad mit Hausärzten bei 90,2 Prozent, in Sulingen bei 85,3 und in Diepholz bei 95,8, so die Zahlen der KVN-Bezirksstelle Verden/Aller aus dem Jahr 2014.

"Aber wenn wir die Ärzte ab 63 Jahren herausrechnen, sieht die Sache anders aus", erklärte Barjenbruch. Tatsächlich liegt dann der Versorgungsgrad mit Hausärzten in Nienburg nur noch bei 60,9 Prozent, in Sulingen bei 53,3 Prozent und in Diepholz 79,4 Prozent. Deshalb wollen die Gemeinden "proaktiv" werden und werben.

Keine strukturschwachen Gemeinden

Dabei seien die Gemeinden der Kampagne noch nicht wirklich stark von Strukturschwäche und Landflucht betroffen, sagt Thorsten Bullerdiek, Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes der "Ärzte Zeitung".

So wird zwar die Bevölkerungszahl in den betroffenen Kreisen laut Statistischem Landesamt Niedersachsen abnehmen (im Kreis Diepholz von 211.351 auf 206.069 im Jahr 2025) ebenso, wie in den vergangenen Jahren die Bettenzahl der Krankenhäuser abgenommen hat (in Diepholz von 584 auf 483 Betten).

"Aber im Harz oder in Ostfriesland sieht es ganz anders aus", sagt Bullerdiek. Im Harzer Kreis Goslar etwa wird die Bevölkerungszahl von rund 135.000 in den kommenden zehn Jahren auf rund 118.000 sinken.

"Und auch im Harz braucht man Ärzte." Die Abwanderungstendenz sei fast überall zu spüren, sagt Bullerdiek. Alles strebt in die Städte und ihre Speckgürtel. Die Zahl der Alten steigt.

In seinem Projekt "Gemeinde 5.0" will der Städte- und Gemeindebund Ideen für die Landgemeinden in Niedersachsen für das Jahr 2050 entwickeln.

Und es wird nicht überall aufwärts gehen, so viel ist klar. In Sulingen lässt man sich aber von solchen Aussichten nicht scheu machen. Friedrich-Wihelm Koop, Sprecher der Initiative und Bürgermeister in Heemsen, sagt: "Das Leben auf dem Land lohnt sich."

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Kommentare
Dr. Henning Fischer 18.08.201517:53 Uhr

GKV: seit 20 Jahren kaum Honorarsteigerung, PKV: seit 20 Jahren KEINERLEI Honorarzuwachs


das muß man den Interessenten ZUERST sagen, sonst ist es Betrug.

Friedrich-Wihelm Koop, Bürgermeister in Heemsen, sagt: "Das Leben auf dem Land lohnt sich."

Das Leben ja, die Arbeit als Landarzt nicht.

Hier in Herford gab es eine Veranstaltung zum Hausarztmangel. Da sagte ein Lokalpolitiker der CDU, man habe sogar mal einem Arzt einen Stall für sein Pferd zur Verfügung gestellt. NULL AHNUNG, aber davon ganz viel.

Nicht die ländliche Region, nicht Herford ist unattraktiv

DAS KV-SYSTEM IST UNATTRAKTIV!

Besserung daher nur zu erwarten, wenn der Herr Hirn nach Berlin schmeißt.


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