Gesetzentwurf
Wie die Bundesregierung Stalking-Opfer besser schützen will
Tausende Menschen werden in Deutschland jedes Jahr verfolgt, bedroht oder ihnen wird aufgelauert. Sich rechtlich dagegen zu wehren ist schwer. Die Bundesregierung packt das Thema Stalking jetzt an.
BERLIN. Stalking-Opfer haben teilweise sogar Angst rauszugehen, um ihrem Peiniger nicht zu begegnen. Die Bundesregierung arbeitet deshalb an einem Gesetz, dass Stalker härter bestrafen soll. Auch der Begriff "Stalking" wird deutlich weiter gefasst.
Problem: Derzeit nur wenige Verurteilungen
Nur die wenigsten Täter werden im Moment zur Rechenschaft gezogen. Denn dafür sind die rechtlichen Hürden in Deutschland bisher zu hoch: Seit 2007 greift das Anti-Stalking-Gesetz, wenn die Taten des Stalkers die "Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt" – etwa, wenn der oder die Betroffene deswegen umziehen oder den Arbeitsplatz wechseln muss.
Betroffene und Hilfsverbände hatten das bisher geltende Gesetz seit Jahren kritisiert. "Die Schwelle der Strafbarkeit wird dabei nur selten überschritten", erklärt Wolf Ortiz-Müller, Leiter der Beratungsstelle Stop Stalking für Opfer und Täter in Berlin. Nur ein bis zwei Prozent aller Strafanzeigen führten zur Verurteilung des Täters.
Der neue Entwurf, der am Mittwoch auf den Weg gebracht wurde, sieht nun vor, dass "Stalking künftig auch dann strafbar sein soll, wenn das Opfer dem Druck nicht nachgibt und sein Leben nicht ändert", wie Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) in einer dpa-Mitteilung zitiert wird.
Stalker könnten künftig besser vor Gericht gebracht und verurteilt werden, denn Stalking nehme immer weiter zu und teilweise auch drastischere Ausmaße an.
Bis zu drei Jahre Haft geplant
In Zukunft sollten Taten daher lediglich "objektiv geeignet" sein müssen, um beim Opfer zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung zu führen. Drei Jahre Haft drohen, wenn jemand einer anderen Person in dieser Weise unbefugt und beharrlich nachstellt.
Eine weitere Änderung: Bislang werden Verfahren oft eingestellt, Opfer müssen dann selbst als Ankläger vor Gericht, wenn sie die Tat weiter verfolgen wollen. Künftig soll das anders sein. "Die Staatsanwaltschaft muss dann alle diese Verfahren führen und zu einem Ergebnis bringen", so Maas.
Ortiz-Müller von der Beratungsstelle Stop Stalking befürwortet jegliche Gesetzesänderung zugunsten der Betroffenen. Er befürchtet aber, dass die Formulierungen im neuen Entwurf zu vage sind.
Nützt das Gesetz tatsächlich den Opfern?
Ob der Entwurf tatsächlich in der Praxis Opfern mehr Schutz bietet, müsse sich also noch zeigen. Seiner Ansicht nach sollten vor allem die Beratungseinrichtungen für Opfer und Täter ausgebaut werden. Es müssten Wege geschaffen werden, "wie man frühzeitig nach einer Anzeige auch die Stalking-Beschuldigten in einen Beratungsprozess einbindet", so Ortiz-Müller.
Die Hilfsorganisation "Weisser Ring" fordert außerdem Anspruch auf Entschädigung für Opfer, die unter den psychologischen Folgen des Stalkings leiden.
Nach Angaben der Organisation sind rund 80 Prozent der Betroffenen Frauen, etwa 80 Prozent der Täter Männer. In rund der Hälfte aller Fälle hätten Opfer und Stalker eine Beziehung gehabt, bevor es zum Stalking gekommen sei.
Im vergangenen Jahr wurden 19.704 Fälle in der polizeilichen Kriminalstatistik verzeichnet — die Dunkelziffer liegt nach Überzeugung von Beratungsstellen und Verbänden allerdings weit höher.
Auch Ärzte oft Stalking-Betroffene
Oft sind auch Ärzte betroffen, weil Patienten sich emotional zurückgewiesen fühlen, eine falsche Diagnose vermuten oder eine Behandlung nicht das gewünschte Resultat gebracht hat. So hat eine deutsche Umfrage aus dem Jahr 2004 ergeben, dass jedes fünfte Opfer im Bereich Medizin, Pflege, Soziales oder Erziehung und Bildung tätig ist. (dpa/bae)