Corona und Spanien
Wie schlecht COVID-19-Forscher bezahlt werden
Der Forschung wird in Spanien seit jeher kein hoher Stellenwert eingeräumt. COVID-19-Forscher beklagen befristete Verträge und eine schlechte Bezahlung.
Veröffentlicht:Madrid. Feste Arbeitszeiten kennt Pedro Alcolea nicht. Unbezahlte Überstunden sind für ihn normal – auch Wochenendschichten. Der 43-jährige Spanier verdient im Monat knapp 1600 Euro. Nach Abzug der Hypothek für seine kleine Eigentumswohnung in Madrid kommt er damit so gerade über die Runden. Das Gehalt ist für spanische Verhältnisse nicht so schlecht. Doch Pedro Alcolea ist kein Kellner oder Verkäufer. Er ist promovierter Biochemiker und Molekularbiologe mit langjähriger Berufserfahrung und arbeitet seit März vergangenen Jahres im staatlichen Forschungszentrum CISC an der Entwicklung eines neuen COVID-19 Impfstoffs.
Obwohl er am US-Forschungszentrum für Infektionskrankheiten in Seattle sogar Doktoranden betreute und wissenschaftliche Artikel veröffentlichte, ist Alcolea zurück in Spanien derzeit als technischer Mitarbeiter und damit weit unter seiner beruflichen Qualifikation angestellt.
Arbeitsverträge oft nur befristet
Dabei kann sich Alcolea noch glücklich schätzen. Nur er und eine weitere Kollegin haben im Team überhaupt eine feste Stelle bekommen. Die anderen haben halbjährig, teilweise auch monatlich befristete Arbeitsverträge.
Trotz der aktuellen Lobeshymnen auf Ärzte und Forscher im Kampf gegen die Corona-Pandemie wird die wissenschaftliche Forschung in Spanien ignoriert und gering geschätzt, meint Alcolea: „Wie kann man sonst die Minimal-Gehälter für Wissenschaftler und geringen staatlichen Investitionen in die Forschung verstehen?“ fragt er im Gespräch mit der spanischen Tageszeitung SUR. „Ich staune wirklich, dass es immer noch Wissenschaftler gibt, die in Spanien arbeiten möchten“, meint auch Alcoleas Forschungsteamleiter Professor Vicente Larraga.
Investitionen in Forschung reduziert
In Spanien wurden in den vergangenen zehn Jahren die Investitionen in die Forschung drastisch reduziert. Spanien investiert derzeit nur 1,24 Prozent seines Bruttoinlandprodukts in die Forschung.
In Deutschland sind es mit 2,81 Prozent immerhin mehr als das doppelte. So mussten seit 2010 fast 90 Prozent aller Forschungslabore entweder Personal kürzen oder gar schließen. Öffentlich ausgeschriebene Forschungsprojekte gibt es kaum, Stellenangebote noch weniger.
„Bei uns wurden die Investitionen in den vergangenen zehn Jahren um die 35 Prozent gekürzt. Wenn einer in Rente geht, wird seine Stelle nicht mal neu besetzt“, erklärt Larraga. Eigentlich hätte er schon 2020 in Pension gehen müssen. Doch mit der aufkommenden Corona-Pandemie wollte er sein Team im vergangenen Jahr nicht führungslos hängen lassen und machte weiter. Angesichts solcher Verhältnisse wandern vor allem jüngere Forscher ins Ausland ab.
12 Mitarbeiter, ein unbefristeter Vertrag
Nach Schätzungen der spanischen Vereinigung für Wissenschaftler und Forscher (Raidex) arbeiten derzeit 20.000 spanische Forscher im Ausland. Auch Mariano Esteban wundert das kaum. „In Spanien ist die Wissenschaft seit jeher eher als Kostenfaktor statt als Investition angesehen worden. Alle außer mir haben nur Zeitarbeitsverträge“, erklärt der Virologe, der ebenfalls am CSIC ein COVID-19 Impfstoffprojekt mit elf Mitarbeitern leitet.
Während Alcolea und Larraga ein synthetisches Molekül entwickeln, basiert Estebans Impfstoff auf einer abgeschwächten Form des Pockenvirus. In Tierversuchen wurde eine 100-prozentige Wirksamkeit nachgewiesen. Nun beginnen die klinischen Versuche mit Menschen. Auch Larragas Team befindet sich auf der Zielgeraden.
Projekte laufen nur dank EU
Bis Ende des Jahres wollen beide COVID-19 Impfstoffe entwickelt haben, die keine besondere Kühlung brauchen und dadurch besonders attraktiv für Entwicklungsländer sein könnten. Möglich wurden beide Forschungsprojekte nur, weil Spanien beziehungsweise die Europäische Union im Zuge der Corona-Pandemie mehr Investitionen als gewöhnlich tätigten.
Aber Geld sei nicht alles, meint Vicente Larraga: „Vor allem junge Forscher müssen langfristig planen können. Und dies bedeutet, gute Arbeitsverhältnisse mit unbefristeten Verträgen und würdigen Gehältern zu schaffen.“