Krankenkassen
Zusatzbeitrag könnte leicht gesenkt werden
Rechnerisch könnte der durchschnittliche Zusatzbeitrag minimal sinken. Die Signale von Gesundheitsminister Hermann Gröhe deuten dies sogar an. Kassenvertreter sprechen von Gaukelei. Viele Kassen hätten keine Spielräume.
Veröffentlicht:BERLIN. Der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung hat nach zweitägigen Beratungen in Bonn kein einvernehmliches Ergebnis vorgelegt. Während das Gesundheitsministerium und das Bundesversicherungsamt (BVA) rein rechnerisch ein Absenken des Zusatzbeitragssatzes um 0,1 Prozentpunkte auf 1,0 Prozent des Bruttoverdiensts (Beitragsbemessungsgrenze aktuell 4350 Euro) für möglich hielte, sieht der GKV-Spitzenverband diesen Spielraum nicht.
Der Ball liegt nun im Feld von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Er wird bis 1. November die Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitrags in der gesetzlichen Krankenversicherung festlegen. Gröhe sprach im Anschluss an die Verhandlungen von einer "guten Nachricht für alle Versicherten". Kein "positives Zeichen für solides Wirtschaften" sieht dagegen der BKK-Bundesverband. Vielen Versicherten würden nun finanzielle Spielräume vorgegaukelt, die bei den meisten Kassen nicht gegeben seien, sagte Verbandschef Franz Knieps.
Die einzelnen Krankenkassen können ihre tatsächlichen Beitragssätze im Wettbewerb individuell festlegen.
Unterschiedliche Prognosen hätten zu den auseinanderliegenden Schlüssen der Teilnehmer am Schätzerkreis geführt, hieß es in einer Mitteilung des Bundesversicherungsamts von Donnerstagnachmittag. Für 2018 werden einvernehmlich Einnahmen des Gesundheitsfonds von 222,2 Milliarden Euro erwartet. Darin enthalten sind rund 14,5 Milliarden Euro Zuschuss aus Steuermitteln. Die Ausgaben schätzen das Gesundheitsministerium und das Bundesversicherungsamt auf 236,2 Milliarden Euro, die Kassen auf 237,3 Milliarden Euro. Die Differenz macht in etwa den einen strittigen Prozentpunkt aus.
Für 2017 ergibt sich ein ähnliches Bild. Ministerium und BVA gehen von Ausgaben in Höhe von 226,4 Milliarden Euro aus, die Kassen von 227,2 Milliarden. Auf der Einnahmenseite dürften demnach Ende des Jahres 216 Milliarden Euro stehen.
Sowohl die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute als auch die Bundesregierung gehen für das nächste Jahr von einem beschleunigten Wirtschaftswachstum aus. Sie haben ihre Prognose für den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts auf 1,9 und 2,0 Prozent angehoben. Ferner wird mit einer ungebrochenen Dynamik am Arbeitsmarkt gerechnet, vor allem die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter wird weiter steigen. Davon profitieren alle Sozialversicherungszweige bereits seit Jahren.
Vor diesem Hintergrund stand der Schätzerkreis vor der eher angenehmen Frage, ob der durchschnittliche Zusatzbeitrag, den Versicherte allein bezahlen müssen, für das nächste Jahr in einer Größenordnung von 0,1 Prozent gesenkt werden könnte. Für das Gesamtsystem macht dies einen Betrag von rund 1,3 Milliarden Euro aus, für den einzelnen Versicherten beispielsweise mit einem beitragspflichtigen Einkommen von 3000 Euro sind das drei Euro im Monat.
Die Prognosen des Schätzerkreises liefern den Kassen jetzt die Informationen darüber, in welcher Höhe sie im nächsten Jahr Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erwarten können. Auf dieser Basis können sie in den nächsten Wochen ihre Haushalte für das nächste Jahr aufstellen und beschließen sowie die Höhe ihres Zusatzbeitragssatzes neu kalkulieren.Hier ist seit Jahren eine zwischen Kassen und Kassenarten disparate Entwicklung zu beobachten. Während das AOK-System kontinuierlich hohe Überschüsse vor allem im Osten aufweist und sich wie ein Schwamm mit Finanzreserven vollgesogen hat, sind bei Ersatz-, Innungs- und Betriebskrankenkassen teils sogar Defizite aufgetreten, die Erhöhungen der Zusatzbeiträge erforderlich machten.
Vor diesem Hintergrund wird über einen Reformbedarf beim morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich gestritten, insbesondere auch darüber, ob die 80 Krankheiten und deren Normkosten zu hoch kalkuliert sind und bestimmte Kassenarten begünstigen. Ein Gutachten soll Aufschluss bringen, bevor die neue Bundesregierung dazu ein Reformkonzept entwickelt.