Kapitalanlage

Auch Corona-Medikamente lohnen einen Blick an die Börse

Mit Impfungen allein kann man die Pandemie nicht beenden. Insbesondere Ärzte sollten deshalb Aktien von Unternehmen nicht ignorieren, die Medikamente zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 entwickeln. Wie ihnen ihr Fachwissen hilft.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Symbolbild: COVID-19 steht auf einer Unterlage geschrieben, auf die auch eine chemische Strukturformel geschrieben ist. Darauf liegen weiße Tabletten aus einer Medikamentenflasche sowie deren abgedrehter Deckel.

Seit Beginn der Impfkampagne hat das Interesse an Papieren von Herstellern der Coronamedikamente nachgelassen.

© Nuthawut Somsuk / Getty Images / iStock

Neu-Isenburg. Im Sommer vergangenen Jahres haben Investoren Relief Therapeutics, ein kleiner Genfer Biopharmazeutika-Produzent, kaum im Blick gehabt. Der Aktienkurs notierte zu dieser Zeit bei gerade einmal 0,034 Franken, umgerechnet knapp 0,031 Euro. Doch Anfang August rast der Kurs binnen Tagen auf 0,58 Franken in die Höhe – ein Zuwachs von atemberaubenden 1605 Prozent. Der Grund: Ein vom Unternehmen entwickeltes Medikament zeigt in ersten klinischen Versuchen in den USA gute Wirkung bei COVID-19-Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf. Von einem „Meilenstein im Kampf gegen die Pandemie“ spricht Jonathan Javitt, Vorstandschef des US-Partners NeuroRX, der die Studien vorgenommen hat.

Interesse ist geschrumpft

Doch seit Impfstoffe zur Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus eingesetzt werden, ist das Interesse von Investoren an Papieren von Biopharmazeutika-Produzenten, die an Medikamenten gegen COVID-19 arbeiten, deutlich geschrumpft. Das hat den Aktienkurs von Relief Therapeutics kräftig sinken lassen. Aktuell notiert das Papier der Genfer 60 Prozent niedriger als zu Beginn der Impfungen.

Auch die Aktie des Zürcher Biotechnologieunternehmens Molecular Partners, das ein Antikörpermimetika gegen COVID-19 entwickelt, ist seit dem Start der Vakzinierungen von 28 Franken auf 18 Franken gefallen. Dabei haben die Zürcher den Pharmakonzern Novartis als Finanzierungs- und Vermarktungspartner gewonnen. Das Medikament basiert auf einem Multi-Darpin, der an drei Stellen des Virus andocken und so verhindern soll, dass es in menschliche Zellen eindringt. Doch Anleger sollten diese Aktien nicht vorschnell abschreiben.

„Aufgrund der Mutationen wird es nicht ausreichen, nur auf die Impfungen zu setzen, zumal gegebenenfalls die notwendigen Impfziele gar nicht erreicht werden“, sagt Rainer Beckmann, Geschäftsführer der Ficon Vermögensmanagement in Düsseldorf. „Spezielle Medikamente gegen COVID-19 werden dauerhaft benötigt werden.“

Es ist gut möglich, dass es bei diesen Aktien zu einer ähnlichen Rallye kommen wird, wie zuvor bei den Papieren der Impfstoffhersteller.

Rainer Beckmann Geschäftsführer Ficon Vermögensmanagement

Beispielhaft zeigen dies Großbritannien und Israel, wo bereits große Teile der erwachsenen Bevölkerung geimpft sind. Dennoch breitet sich die erstmals in Indien aufgetretene Delta-Variante des Virus seit Wochen massiv in beiden Ländern aus. Beunruhigt ist deshalb auch die US-Regierung. Präsident Joe Biden hat gerade 3,2 Milliarden US-Dollar, umgerechnet 2,7 Milliarden Euro, für die Entwicklung von Medikamenten gegen COVID-19 zur Verfügung gestellt. Washington will damit das ultimative Therapeutikum finden, nachdem das Ebola-Medikament Remdesivir von Gilead Science und der Entzündungshemmer Actemra von Roche schwere Krankheitsverläufe zwar mildern können, jedoch nicht kurativ wirken.

Sobald in Börsenkreisen erkannt werde, dass die Vakzine allein nicht genügen, um SARS-CoV-2 zu besiegen, dürften sich Investoren wieder stärker den Unternehmen zu wenden, die an der Entwicklung der neuen COVID-19-Therapeutika arbeiten, sagt Beckmann. „Es ist gut möglich, dass es bei diesen Aktien zu einer ähnlichen Rallye kommen wird, wie zuvor bei den Papieren der Impfstoffhersteller.“

Für die Biopharmazeutika-Unternehmen spreche auch, dass sie mehrere Medikamente gleichzeitig entwickeln – und somit mehrere Pfeile im Köcher haben. Beispielhaft zeigt dies die Münchner Formycon. Das Unternehmen arbeitet zum einen an dem SARS-CoV-2-Blocker FYB 207, der das Eindringen des Virus in menschliche Zellen verhindern soll. Zum anderen hat Formycon gerade bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA die Zulassung für seinen Biosimilar-Kandidaten FYB201 zur Behandlung der neovaskulären Makuladegeneration beantragt.

Ärzte können Fachwissen nutzen

Simon Scholes, Analyst bei der Berliner Investmentberatungsgesellschaft First Berlin Equity Research, hat die Formycon-Aktie daraufhin mit „Zukaufen“ eingestuft. In den kommenden zwölf Monaten dürfte ihr Kurs bis auf 78 Euro steigen, sagt Scholes. Derzeit notiert das Papier knapp unter 62 Euro.

Es gebe keinen Fonds, der gezielt in Aktien von potenziellen COVID-19-Medikamentherstellern investiert, sagt Beckmann. Doch gerade Ärzte könnten ihr Fachwissen nutzen, um anhand der von den Unternehmen auf ihren Internetseiten vorgelegten Studien einzuschätzen, welcher Hersteller mit seinem Wirkstoff über besonders viel Erfolgspotenzial verfügt. In den Blick genommen werden könnte dabei auch das in Deutschland börsennotierte israelische Unternehmen Redhill Biopharma, sagt Beckmann. „Es hat einen Wirkstoff mit nachgewiesener doppelter entzündungshemmender und antiviraler Aktivität entwickelt, der voraussichtlich auch gegen neu auftretende Virusvarianten mit Mutationen im Spike-Protein wirksam ist.“

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