Onkologische Versorgung
COVID-19 – die Chance zum Rauchausstieg?
Alternativlos auf den Zigarettenkonsum zu verzichten, sehen Experten als Gewinn für Krebspatienten und die Gesundheitssysteme an. Corona könnte als Brücke zum Rauchstopp dienen, heißt es.
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Rauchstopp – eine Option, von der auch Krebspatienten mit Blick auf ihre Therapie profitieren können.
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Brüssel. Die Raucherentwöhnung sollte europaweit integraler Bestandteil der Krebsbehandlung sein, um deren Nutzen für den jeweiligen Patienten zu maximieren. Dafür plädierte Oxana Domenti, Repräsentantin der WHO bei der Europäischen Union, am Montag in Brüssel bei einem gemeinsamen Webinar des European Network for Smoking and Tobacco Prevention (ENSP) und der European Cancer Patient Coalition (ECPC). Sie forderte die europäischen Staaten auf, alle Patienten zu identifizieren, die Tabak konsumieren, und ihnen Unterstützung bei der Raucherentwöhnung anzubieten. „Interventionen zur Tabakentwöhnung müssen in alle Gesundheitssysteme, einschließlich der onkologischen Kliniken, integriert werden“, so Domenti.
Europa gebe in puncto Krebs kein gutes Bild ab, monierte Domenti. Mit weniger als zehn Prozent der Weltbevölkerung sei die Region für ein Viertel aller Krebsfälle weltweit verantwortlich – Schätzungen zufolge seien in der ersten Hälfte dieses Jahres 2,7 Millionen neue Krebspatienten und 1,3 Millionen krebsassoziierte Todesfälle zu verzeichnen gewesen. Domenti: „Trotz kontinuierlicher Verbesserung der Überlebensraten variiert die Überlebenswahrscheinlichkeit in Europa, wobei es erhebliche Ungleichheiten bei der Prävention, rechtzeitigen Diagnose, Behandlung und Pflege gibt. Steigende Überlebensraten bedeuten, dass mehr Menschen mit und nach Krebs leben.“
WHO will Ländern unter die Arme greifen
Die ehemalige Ständige Vertreterin der Republik Moldau bei dem Büro der Vereinten Nationen in Genf konzedierte, dass Corona der WHO beim Kampf gegen den Tabakkonsum in die Parade gefahren sei. Die WHO sei zwar durch ihr 13. Allgemeines Arbeitsprogramm, aber auch durch das kürzlich verabschiedete Europäische Arbeitsprogramm „Gemeinsam für eine bessere Gesundheit“ entschlossen, die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, den gleichberechtigten Zugang zu Prävention, Diagnose und Behandlung von Krebspatienten zu verbessern. Alle diese Dienste seien aber „in unterschiedlichem Maße von der COVID-19-Pandemie negativ beeinflusst worden, was größere Anstrengungen von uns allen erfordert.“
Der Tabakkonsum sei als wichtigster Risikofaktor für Krebs gut dokumentiert. Schätzungsweise 22 Prozent der Krebstodesfälle seien auf Tabakkonsum zurückzuführen. Weniger werde jedoch über die Auswirkungen des Tabakkonsums auf bereits an Krebs erkrankte Patienten gesagt. Die vorliegenden Daten deuteten darauf hin, dass rauchende Krebspatienten ein höheres Risiko für unerwünschte Behandlungsergebnisse hätten. Der Nikotinkonsum wirke sich vermutlich auch negativ auf Gesamtmortalität, krebsspezifische Mortalität sowie behandlungsbedingte Komplikationen aus und trage außerdem zu Komorbiditäten wie Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen bei.
Höhere Tabaksteuern und strengere Gesetze angemahnt
Domenti machte sich stark für eine nachhaltige Finanzierung spezieller Tabakentwöhnungsangebote auf Kasse und für die Erforschung medikamentöser und psychologischer Ausstiegsoptionen. „Parallel dazu müssen die evidenzbasierten Maßnahmen, die im WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC) vorgesehen sind, in allen Ländern umgesetzt werden; dazu gehören Gesetze zur Rauchfreiheit, massenmediale Anti-Tabak-Kampagnen, die Kennzeichnung von Tabakprodukten und die Erhöhung der Steuern auf diese Produkte“, ergänzte Domenti.
Krzysztof Przewozniak vom Maria Sklodowska-Curie National Research Institute of Oncology rief dazu auf, die gegenwärtige Corona-Pandemie als Ausstiegshilfe aus der Raucherkarriere zu nutzen. So seien derzeit 152 von 314 Regionen landesweit von einem coronabedingten Rauchverbot betroffen – das entspreche 70 Prozent der polnischen Bevölkerung.