Karte des Monats

Chancen mit psychisch Kranken ungleich verteilt

Spätestens seit der Bertelsmann-Studie von 2017 ist bekannt, wie unterschiedlich die Verteilung psychischer Erkrankungen in der Fläche ist. Die aktuelle Karte des Monats, zeigt wie stark Hausärzte in welcher Region dadurch belastet werden – und welche Chancen sich daraus ergeben.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Die Häufigkeit, mit der psychische Erkrankungen diganostiziert werden, ist in Deutschland sehr unterschiedlich. Einen Blick auf die Verteilung gibt die Karte des Monats.

Die Häufigkeit, mit der psychische Erkrankungen diganostiziert werden, ist in Deutschland sehr unterschiedlich. Einen Blick auf die Verteilung gibt die Karte des Monats.

© Jonas Glaubitz / stock.adobe.com

NEU-ISENBURG. Psychische Erkrankungen gehören zu den Diagnosen, die mit am häufigsten für krankheitsbedingte Fehltage verantwortlich sind. Dabei ist die Häufigkeit gestellter Diagnosen psychischer Erkrankungen stark unterschiedlich in Deutschland, wie die Bertelsmann Stiftung vor einem Jahr in einem „Sportlight Gesundheit“ festgestellt hat.

So steht es um den Psychotherapiededarf in Deutschland.

Die Muster für die unterschiedliche Häufigkeit sind nicht direkt erkennbar, sowohl in Ballungsgebieten als auch außerhalb gibt es Regionen mit höheren Raten dieser Diagnosen je Einwohner.

Bedarfsplanung mangelhaft

Die Verteilung der Psychotherapeuten in der Fläche entspricht zudem nicht dem Bedarf aufgrund der Diagnosehäufigkeit, stellt die Stiftung weiter fest. Eines der Ergebnisse: Die derzeit geltende Bedarfsplanung unterschätzt den Psychotherapiebedarf von Älteren massiv. Häufiger als Männer sind Frauen von der Krankheit betroffen, und die medizinische und psychotherapeutische Versorgung hinkt oft dem Bedarf hinterher.

Hausärzte wiederum haben einen Teil der Last der Fehlplanung zu tragen, denn die Patienten kommen dadurch vermehrt zu ihnen mit den Erkrankungen.

Legt man nun die Verteilung der Diagnosen psychischer Erkrankungen übereinander mit der Hausarztdichte der Regionen, kommt man schnell zu der Verteilung der psychisch Erkrankten auf die Hausärzte einer Region. Genau das zeigt die Karte des Monats November, die von „Ärzte Zeitung“ in Kooperation mit Rebmann Research den Lesern zur Verfügung gestellt wird.

Die interaktive Karte, die den genauen Blick bis auf Mittelbereiche der einzelnen KVen zulässt, ist jetzt frei geschaltet worden. Sie kann abgerufen werden unter www.aerztezeitung.de/extras/karte_des_monats.

Krasse Gegensätze im Norden

Daraus ergibt sich eine Landkarte, die für die in der jeweiligen Region tätigen Hausärzte zeigt, wie hoch das potenzielle Aufkommen psychischer Erkrankungen je Hausarzt ist. Rot eingefärbt sind Regionen mit einem potenziell hohen Aufkommen, grün eingefärbt mit einem tendenziell eher niedrigen Aufkommen psychisch Erkrankter Patienten. „Das jeweilige tatsächliche Aufkommen je Praxis hängt natürlich stark vom jeweiligen Angebot der Praxis ab“, erläutert Dr. Bernd Rebmann, Unternehmensgründer und Leiter von Rebmann Research.

Die auf der Karte jeweils für die Mittelbereiche angegebene Prozentzahl entspricht der Abweichung vom Durchschnitt im Verhältnis zum gewählten Bezugspunkt. Bezugspunkt ist in diesem Fall die jeweilige KV-Region. Die Unterschiede sind teilweise beträchlich: So sind im Berliner Bezirk Charlottenburg-Willmersdorf 27 Prozent weniger psychotherapeutische Patienten je Hausarztpraxis zu erwarten als in durchschnittlichen Bezirken von Berlin, in Lichtenberg sind es dagegen 29 Prozent mehr.

In Hessen sind die Unterschiede sogar noch größer: Dieburg-Groß-Umstadt beispielsweise liegt 53 Prozent über dem Durchschnitt, Idstein sogar 54 Prozent. Im ebenfalls eher ländlichen Bad Wildungen sind dagegen 30 Prozent weniger als im Durchschnitt zu erwarten.

Noch krasser liegen die Gegensätze in Schleswig-Holstein: 71 Prozent unter dem Durchschnitt liegt die Insel Sylt, auf der anderen Seite des Hindenburg-Damms sind es dagegen 15 Prozent mehr psychisch Erkrankte als im Durchschnitt.

Eigene Schwerpunkte setzen Akzente

Hausärzte, die in Regionen praktizieren, in denen relativ viele psychisch Erkrankte auf einen Allgemeinmediziner kommen, können je nach Konkurrenzsituation im unmittelbaren Umfeld eventuell strategisch durch Schwerpunkte wie in der Burn-out-Beratung oder Psychosomatik mit der Praxis punkten.

Ein Schwerpunkt von Hausärzten kann die Altersdepression sein. Etwa 10 Prozent der Patienten beim Hausarzt, die 65 Jahre und älter sind, leiden an einer Depression. Diese wird oft von anderen somatischen Erkrankungen überlagert, vielfach auch nicht erkannt. Eine Spezialisierung für Hausärzte könnte zum Beispiel ein gerontopsychiatrisches Assessment gemeinsam mit einen Facharzt für Psychiatrie sein.

Auch junge Hausärztinnen und -ärzte, die besonderes Interesse zum Beispiel an der Psychosomatik haben und auch einen Tätigkeitsschwerpunkt in dieser Richtung anstreben, können sich bevorzugt Regionen anschauen, in denen die Hausarztdichte in Bezug auf psychische Erkrankungen eher niedrig ist.

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