Hygiene-Mängel

Chef der Mannheimer Uniklinik räumt seinen Stuhl

Haare, Knochensplitter, tote Fliege im OP: Zu den Hygieneverstößen an der Mannheimer Uniklinik sind neue Details bekannt geworden. Einem Medienbericht zufolge sollen Mitarbeiter auf die Mängel hingewiesen haben - doch geändert hat sich nichts. Der Geschäftsführer tritt ab, die Klinik will das Vertrauen der Patienten zurückgewinnen.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:
Mannheims Oberbürgermeister und Aufsichtsratschef des Mannheimer Uniklinikums, Peter Kurz (r,), und der Ärztliche Direktor, Professor Frederik Wenz wollen das Vertrauen der Patienten zurückgewinnen.

Mannheims Oberbürgermeister und Aufsichtsratschef des Mannheimer Uniklinikums, Peter Kurz (r,), und der Ärztliche Direktor, Professor Frederik Wenz wollen das Vertrauen der Patienten zurückgewinnen.

© Uwe Anspach / dpa

MANNHEIM. Der Geschäftsführer des Mannheimer Universitätsklinikums, Alfred Dänzer, hat seinen Rücktritt eingereicht und dies mit der fehlenden Vertrauensbasis der Mitarbeiter in seine Arbeit begründet.

Ein belastbares Vertrauensverhältnis sei Grundlage jeder Leitungsaufgabe, das sehe er als nicht mehr gegeben an, so teilte er schriftlich mit. Er selbst war urlaubsbedingt bei der am Donnerstag eilig einberufenen Pressekonferenz am Mannheimer Uniklinikum nicht anwesend.

Mannheimer Oberbürgermeister begrüßt Rücktritt

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Klinikum GmbH, Mannheims Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, hält Dänzers Schritt für richtig, wie er sagte. Dieser habe jederzeit die Interessen der Unimedizin Mannheim über die eigenen Interessen gestellt - so auch in diesem Fall.

Oberste Priorität habe es jetzt, "verloren gegangenes Vertrauen bei den Patienten und in der Öffentlichkeit" wiederzugewinnen und im Sinne der Patienten die OP-Kapazitäten wieder hochzufahren unter Wahrung der vorgegebenen Standards im Hygienebereich, sagte Kurz.

So konzentriere man sich in der kommissarischen Klinikleitung, die derzeit von den Leitern der Geschäftsbereiche gestellt wird, darauf, die Mängel schnellst möglich zu beseitigen.

"Wie sind wir in die Situation gekommen? Was können wir zur Aufarbeitung tun?" - Das werden nun die Hauptfragen sein, die es zu beantworten gelte, so Kurz, der sichtlich betroffen war von den aktuell bekannt gewordenen Vorwürfen zum Hygienebereich des Klinikums.

Der Oberbürgermeister kündigte eine "umfassende Aufarbeitung" an. Hierfür setzt der Aufsichtsrat selbst eine unabhängige Kommission mit externen Experten ein, die über die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hinaus alle Hinweise verfolgen werde und entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Abläufe vorschlagen werde.

Er forderte alle Klinikmitarbeiter auf, Mängel nun schonungslos zu benennen. Warum Informationen über Hygienemängel mit höchster Relevanz nicht an die Geschäftsleitung gelangt seien, sondern in den Organisationsstrukturen des Hauses hängengeblieben seien, gelte es nun zu klären und das Informationsmanagement entsprechend anzupassen.

Kurz zufolge sei der Geschäftsführer nur in einem Fall direkt informiert worden.

Haben Mitarbeiter auf die Missstände hingewiesen?

Doch die Mitarbeiter haben geredet, wie beim Magazin "Spiegel" zu lesen war. Danach wurden die hygienischen Missstände im Klinikfehlermeldenetz Critical Incident Reporting System (CIRS), an welches das Klinikum Mannheim seit 2007 angeschlossen ist, schon vor zwei Jahren anonym thematisiert.

Auch auf die erforderlichen Schulungen für Mitarbeiter in der Sterilisation sei damals schon hingewiesen worden. Vor einem Jahr, so heißt es, hätten schließlich Ärzte und OP-Personal Alarm geschlagen: Instrumentensiebe seien unvollständig gewesen. In zwei Sieben des Orthopädie-OP-Bereichs seien Staphylokokken nachgewiesen worden.

Die Liste der Beobachtungen, die die Mitarbeiter angeblich gemacht haben, liest sich wie eine Gruselstory: Unzureichend vorgereinigte und deshalb verschmutzte OP-Geräte, Haare, Knochensplitter und eine tote Fliege in den Instrumentenbehältern. Ende 2013 habe das Personal in CIRS darüber geklagt, dass zum Teil nicht genügend Instrumente für OP zur Verfügung stünden.

Wenig später dann: Die Klinikleitung möge es nicht dazu kommen lassen, dass Patienten zu Tode gespart würden. Und dass deshalb mehr Personal in den Sterilisationsbereichen gefordert werde. Dass derlei Hinweise nicht an die richtige Stelle gelangt seien, wunderte auch den Aufsichtsratsvorsitzenden.

Das Problem der nicht adäquaten Weiterleitung in der Gesamtorganisation werde man untersuchen, erklärte der Ärztliche Direktor am Klinikum, Professor Frederik Wenz. Er ist damit beauftragt, die Vorgänge aufzuarbeiten.

Wenz zufolge ist es derzeit die zentrale Sorge, die Patienten in der gegenwärtigen Situation adäquat zu versorgen. Bei dringender Operationsindikation würden die Patienten an andere Kliniken vermittelt, bei elektiven Eingriffen auf die Warteliste gesetzt. Man habe eine Hotline eingerichtet.

Derzeit ist das OP-Programm auf 20 Eingriffe pro Tag heruntergefahren und auf Notfalleingriffe beschränkt. Wann das volle Programm wieder gefahren werden könne, sei derzeit noch nicht absehbar.

Der Aufsichtsratsvorsitzende räumte mangelnde Transparenz bei der Krisenkommunikation ein. So habe der Eindruck entstehen können, dass nicht alles konsequent aufgearbeitet worden sei.

Tritt Dänzer als DKG-Präsident zurück?

Ob der Rücktritt Dänzers in Mannheim auch Auswirkungen auf sein Amt als Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft hat, ist derzeit noch offen.

DKG-Sprecher Moritz Quiske sagte zur "Ärzte Zeitung": "Wir können uns von hier aus nicht zu Mannheimer Vorgängen äußern". Dänzers Amtszeit endet regulär am 31.12.2014. Die Neuwahl findet am 25. November statt.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Gutes Signal

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