Leser-Umfrage zum Rezeptformular
Der Kassenstempel nervt!
Was halten Ärzte von den neuesten Anforderungen an den Arztstempel? Wir haben unsere Leser gefragt. Das Fazit: Die Verärgerung über einmal mehr bürokratischen Aufwand überwiegt.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Seit 1. Juli gelten neue Formvorgaben für Arzneimittelrezepte: Den Formularen müssen jetzt Telefonnummer und Arzt-Vorname zu entnehmen sein.
Die Apotheker verärgert die Neuregelung, befürchten sie doch, von den Kassen retaxiert zu werden, wenn sie unvollständig ausgefüllte Rezepte bedienen.
Wir wollten von unseren Lesern wissen, was sie von den neuen Formvorgaben halten, ob sie die Retax-Ängste der Apotheker nachvollziehen können, und ob es auch in ihrem Sprengel schon zu Rezept-Rückläufern wegen Formfehlern gekommen ist.
Einige haben geantwortet - von Empörung ("bürokratischer Schildbürgerstreich") bis zu Solidarität mit den von Retax-Neuralgie geplagten Apothekern ist alles dabei:
Dr. Raimund Jindrich, Facharzt für Innere Medizin und Diabetologie aus Friedberg: "Natürlich hat uns ‚der Kassenstempel‘ wieder einmal zum Quartalsanfang sämtliche Nerven gekostet. IT und Verwaltung verschlingen sowieso langsam unser gesamtes Einkommen. Nicht zuletzt Manpower und Zeit für die Behandlung chronisch kranker Menschen. Dies ist wieder mal Ausdruck dafür, dass es viel zu viele Lobbyisten und Theoretiker gibt, die nicht den Hauch einer Ahnung davon haben, wie es an der ‚Front‘ ausschaut."
Dr. Michael Obladen, Allgemeinmediziner in Bremervörde: "Ja, auch unser Hausapotheker hat uns am 3. Juli einen circa 20 cm hohen Stapel Rezepte in die Praxis zurückgebracht, weil auf unserem Gemeinschaftspraxisstempel die Vornamen fehlten, die Telefonnummer hatten wir schon immer vermerkt. Ich frage mich allerdings, wozu dieser bürokratische Schildbürgerstreich gut sein soll. Über die LANR ist der ausstellende Arzt eindeutig identifizierbar, insofern trägt der zusätzlich zu vermerkende Vorname sicher nicht zur eindeutigen Identifikation bei."
Dr. Beatrix Faulhaber, Fachärztin für Anästhesie in Köln: "Es ist keine Übertreibung der Apotheker, dass die Rezepte vollständig ausgefüllt sein müssen. Die Kassen bezahlen die unvollständigen Rezepte nicht. Die Apotheker büßen also eventuell viel Geld ein und haben den Ärger mit den Patienten vor Ort. Unberücksichtigt bleibt dabei die Zeit, die vom Apotheker und seinen Angestellten mit ‚unnötigen‘ Telefonaten vertan wird."
Dr. Erhard Eberl, Allgemeinarzt mit Gemeinschaftspraxis in Nörten-Hardenberg: "Aus Angst vor Retaxierungen hat auch bei uns die Apothekerin angerufen. Unser Rezeptstempeldruck war vorher schon in Ordnung, nur das Unterschreiben in Vertretung gefiel ihr nicht. Das bleibt bei uns aber so wie bisher. Im übrigen soll mal der Apthekerverein anständige Verträge bezüglich der Retaxierungswelle aushandeln und nicht alles willig unterschreiben, was so von den Kassen auf den Tisch kommt."
Folkmar Biniarz, Leiter des Senovum-Pflegeheims in Freiburg im Breisgau: "Wenn es in einer Stadt mehrere Ärzte namens Müller gibt, ist es doch logisch, die Differenzierung durch die Vornamen vorzunehmen. Und die Telefonnummer ist genauso wichtig, wenn der Apotheker Rückfragen an den rezeptausstellenden Arzt hat. Also, die Vorgaben sind richtig und sinnvoll. Und selbstverständlich. Wir sollten wichtigere Themen diskutieren."
Dr. Dirk Schaumann, Internist in Hameln: "Wegen Vorname und Telefonnummer wurden wir noch nicht kontaktiert. Wir leiden unter zwei weiteren ‚Spielchen‘ der Apotheken: Erstens wird jede Verordnung einer doppelten Packungsgröße reklamiert und um zweite Unterschrift plus Stempel gebeten. Zweitens kommen auch ausserhalb der Arbeitszeit über die angegebene Telefonnummer Rückmeldungen, das Informationssystem der Apotheke habe eine kritische Interaktion ausgewiesen - auf dem Niveau von ‚Blutdruckmittel können zu Hypotonie führen, vor allem in Kombination‘. Wir finden beide Vorgänge wegen der Häufung äußerst störend und haben bisher keine Abhilfe gefunden." (cw)