Umfrage zeigt
Die internistische Weiterbildung fällt durch
Eine bundesweite Umfrage unter etwa 1700 jungen Medizinern bringt gravierende Mängel in der internistischen Weiterbildung ans Licht. Es fehlt an Struktur. Aber auch der ökonomische Druck auf junge Ärzte ist zu hoch.
Veröffentlicht:MANNHEIM. Wir sind schockiert - lauteten die sehr deutlichen Worte von Dr. Thomas Schröter, Vorstandsmitglied des Berufsverbands Deutscher Internisten (BDI).
Berichte über den DGIM-Kongress
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Der Grund: In Zeiten eines zunehmenden Ärztemangels berichten sehr viele angehende Internisten von Qualitätsmängeln in der Weiterbildung.
Ans Licht brachte diese Zustände eine bundesweite Befragung von Weiterbildungsassistenten durch die "Jungen Internisten" in der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und des "Jungen Forums" des BDI, die am Samstag auf dem 121. Kongresses der DGIM in Mannheim vorgestellt wurde.
Immerhin 1696 Weiterbildungsassistenten nahmen an der Umfrage im Oktober und November 2014 teil.
Wie Dr. Matthias Raspe von den "Jungen Internisten" berichtete, gaben nur 17 Prozent an, dass sie bei Beginn ihrer Weiterbildung wussten, in welche Fächer sie rotieren werden, 83 Prozent hatten keinerlei strukturierten Ausbildungsplan.
"Bei Beginn der Weiterbildung sollte zumindest klar sein, welche Rotationen bestehen", forderte Professor Gerd Hasenfuß, 2. Vorsitzender der DGIM, der sich als zukünftiger Präsident der DGIM dafür einsetzen will, dass das auch umgesetzt wird.
In Göttingen, wo Hasenfuß arbeitet, funktioniere das, sagte er, natürlich könne man das nicht im Detail planen, aber sehr wohl bestimmte Stationen in der Weiterbildungszeit garantieren.
Weiterbildung braucht höheren Stellenwert
Schröter teilte mit, dass der BDI auf eine Änderung der Weiterbildungsordnung (WBO) drängen werde, um mehr Qualität in die internistische Ausbildung zu bekommen.
"Weiterbildung darf kein Nebenprodukt sein. Jeder der Weiterbildung macht, muss sich verpflichten, eine strukturierte Weiterbildung zu machen."
Dr. Alexis Michael Müller Marbach, Sprecher der "Jungen Internisten", beklagte, es gebe fast keine Personalführung. Das bestätigt auch die Umfrage: Die vorgesehenen, regelmäßigen Weiterbildungsgespräche erlebten 23 Prozent der Umfrageteilnehmer gar nicht, 45 Prozent nur unregelmäßig und gerade einmal 32 Prozent wie gefordert.
Dort, wo Gespräche stattfanden, wurden sie zudem von nur etwas mehr als einem Viertel tatsächlich als hilfreich empfunden. Müller Marbach plädierte für eine Führungskultur wie in der freien Wirtschaft mit entsprechenden Feedbackgesprächen, die für beide wichtig seien - für den Mentor ebenso wie den Assistenten.
Im Ausbildungsalltag verbringen die angehenden Internisten nach eigenem Bekunden gerade einmal 37 Prozent ihrer Zeit am oder mit dem Patienten. 33 Prozent der Zeit beschäftigen sie sich immerhin mit Aktivitäten, die mit dem Patienten zusammen hängen - etwa mit interdisziplinären Fallkonferenzen.
30 Prozent sind jedoch patientenferne, administrative Tätigkeiten. Beeindruckend ist auch, dass über drei Viertel der jungen Ärzte glauben, dass sich über die Jahre die Qualität der Patientenversorgung immer weiter verschlechtert hat.
Als Hauptgründe nennen sie mit 33 Prozent die Arbeitsverdichtung, mit 27 Prozent die zahlreichen nicht ärztlichen Tätigkeiten, mit 20 Prozent die unzureichende Supervision und mit 17 Prozent die mangelnden Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Ökonomische Zwänge sind Alltag
Dabei spüren die Weiterbildungsassistenten den immer weiter steigenden ökonomischen Druck - und geben ihm nach: 90 Prozent geben an, dass ökonomische Erwägungen bei ärztlich-fachlichen Entscheidungen eine Rolle spielen.
Bei 35 Prozent ist das nur selten der Fall, bei 38 Prozent jede Woche, bei 20 Prozent sogar täglich. "Das ist eine Entwicklung, die können wir uns so nicht länger leisten", sagte Schröter.
"Wir müssen auch an die Bedingungen ran." Gemeint ist damit auch ein DRG-System, das in seinen Augen die weniger prozedurale Innere Medizin systematisch zu schlecht gegenüber anderen Fächern bewertet und damit den Druck auf Ärzte besonders erhöht.
Das fand auch Hasenfuß, denn schließlich: "Wir steuern auf einen Ärztemangel zu und da müssen wir junge Ärzte für unseren Beruf begeistern." Das scheint derzeit schwer.
Denn nach ihrer beruflichen Gesamtsituation befragt, gaben 40 Prozent an, dass sie sehr oder eher unzufrieden sind.
Zusätzlich haben die Jungen Ärzte aus DGIM und BDI den sogenannten Verausgabungs-Belohnungs-Quotienten nach dem Modell der beruflichen Gratifikationskrisen von Professor Johannes Siegrist, Institut für Medizinischen Soziologie an der Uni Düsseldorf, ermittelt.
Der Quotient zeigt das Risiko für Burn-out, berufsbedingte Depressionen sowie Herzkreislauf-Erkrankungen an. Raspe: "Ist der Quotient größer eins, spricht das für ein Missverhältnis."
Und immerhin 90 Prozent der Befragten Weiterbildungsassistenten wiesen einen Quotienten größer eins auf. "Wobei wir mit der Interpretation vorsichtig sein müssen, da wir nur die Kurzversion des zugehörigen Fragebogens genutzt haben", sagte Raspe. Aber der Trend ist dennoch gegeben.
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