Die neue Berufsordnung: Das kommt auf Ärzte zu
Gleich 20 Paragrafen der Musterberufsordnung sind umgeschrieben oder erweitert worden. Die vielen Neuerungen wirken sich natürlich auf die tägliche Arbeit der Ärzte in den Praxen aus.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Die Delegierten des Ärztetags in Kiel haben Anfang Juni mit großer Mehrheit eine Veränderung der Musterberufsordnung (MBO) beschlossen. Mehr als 20 Paragrafen wurden verändert, erweitert oder neu geschrieben.
Die neue Berufsordnung
Unabhängigkeit: Beziehung zu Dritten Kooperationen: BAG mit mehreren Praxissitzen Marketing: Einschränkung bei Werbung Unerlaubte Zuwendung: Ärzte sollen unabhängig sein Arzt und Hersteller: Vergütung von Leistungen IGeL: Schriftlichkeit nun verbindlich Verhaltensregeln: Überweisung von Patienten Aufklärungspflicht: Bedenkzeit für die Patienten
"Wir haben die Berufsordnung unter anderem an eine geänderte Rechtsprechung angepasst und die Vorgaben zu den ärztlichen Berufspflichten durch eine Neustrukturierung justiziabel gemacht", begründet Dr. Udo Wolter, Vorsitzender des Ausschusses "Berufsordnung" der Bundesärztekammer (BÄK) und Präsident der Ärztekammer Brandenburg, die Novelle.
Geändert wurden Regelungen zur Aufklärungspflicht, zu Werbung im Wartezimmer oder zu IGeL. Außerdem wurde die Organisation des ärztlichen Notdienstes aus der MBO herausgenommen und an die Länder verwiesen.
Neuformulierung zur Sterbehilfe
Präziser gefasst wurde der Paragraf 16 zur Sterbehilfe. "Über diesen Paragrafen haben wir lange im Gremium diskutiert" berichtet Wolter.
Die neue MBO stellt nun klar, dass Ärzte "keine Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen" und es ihnen verboten ist, "Patienten auf deren Verlangen zu töten".
Dokument zum Download
Beschluss des 114. Ärztetags: Anlage 1 zum Beschlussantrag III - 01 (PDF-Datei, ca. 31 KByte)
Erstmals ist damit ein ausdrückliches Verbot der ärztlichen Suizidbegleitung in der MBO enthalten. Bislang hieß es lediglich: "Ärzte dürfen das Leben des Sterbenden nicht aktiv verkürzen." Die Neufassung soll für mehr Klarheit sorgen.
Etliche entfallene Vorschriften
Einige Regelungen sind komplett entfallen, entweder weil sie nicht mehr benötigt werden oder an anderer Stelle der MBO hinzugekommen sind. Dazu gehören:
Die Vorschrift zu Arztverzeichnissen (Paragraf 28) - sie konnte aufgehoben werden, da Einträge in Verzeichnisse weiter zulässig sind, Einschränkungen regelt bereits Paragraf 27 (Werbung).
Gestrichen wurden auch die Verordnung, Empfehlungen und Begutachtung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln (Paragraf 34) sowie die Vorschrift zu Fortbildungsveranstaltungen und Sponsoring (Paragraf 35).
Abschnitte aus Paragraf 34 sind in 27 (Werbung) oder 31 (unerlaubte Zuweisung) übernommen worden. Paragraf 35 wurde überarbeitet und komplett in Paragraf 32 (Unerlaubte Zuwendungen) verschoben.
Zudem entfallen die Kapitel C und D. Der Grund: "Verstöße gegen die einzelnen Kapitel der MBO waren rechtlich nicht durchsetzbar. Deshalb sind die Abschnitte der Kapitel in die Paragrafenabschnitte übernommen worden", erklärt Wolter diese Veränderung.
Zusammenführung von Kapiteln
Das Kapitel C, das den Patientenumgang, Behandlungsgrundsätze, und den Umgang mit nichtärztlichen Mitarbeitern regelt ist in Paragraf 7 übernommen worden, da sich laut Bundesärztekammer die Aufteilung der Patientenschutzvorschriften in einen Paragrafenteil und in Kapitel C, nicht bewährt hatten.
Auch Regelungen zum Embryonenschutz konnten entfallen, weil der Schutz des menschlichen Embryos in einem eigenen Gesetz (Embryonenschutzgesetz) geregelt ist.
Neu hinzugekommen ist der Paragraf 29a, der die Zusammenarbeit mit Dritten regelt. Diese Änderung hat sich aus der Neufassung des Paragrafen 30 zur Ärztlichen Unabhängigkeit ergeben.
In Paragraf 29a sind jetzt zwei Abschnitte aus 30 übernommen worden. Dabei wurde auch gleichzeitig die Bezeichnung "Assistenzberufe" durch "Fachberuf im Gesundheitswesen" ersetzt.
Übernahme durch die Kammern wird dauern
Die jetzige Anpassung der MBO ist nach Angaben von Wolter das Ergebnis von mehreren Jahren Arbeit, an der alle Landesärztekammern beteiligt waren. "Den Wünschen der Kammern konnte in den meisten Fällen nachgekommen werden", so Wolter.
Er hofft daher, dass die MBO möglichst einheitlich von allen Ländern in der Berufsordnung übernommen wird. Bis es soweit ist, dass alle Länder eine neue Berufsordnung haben, wird es aber noch eine Weile dauern.
Denn sobald die MBO von der BÄK veröffentlicht ist, wird sie in den Berufsordnungsgremien der Kammern diskutiert, danach muss sie von der Kammerversammlung verabschiedet werden.
Sind all diese Hürden genommen, geht sie an die Landesregierung. Dort wird die Berufsordnung noch einmal nach rechtlichen Aspekten durchgesehen.
Erst dann wird sie im Ärzteblatt der Länder veröffentlicht und tritt in Kraft. "Dieser Abstimmungsprozess kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Bei uns in Brandenburg hat es schon einmal Jahre gedauert - obwohl das eher eine Ausnahme ist", sagt Wolter.
Die Musterberufsordnung
Die Musterberufsordnung (MBO) regelt die Rechte und Pflichten der Ärzte gegenüber Kollegen, Patienten und der Ärztekammer. Wesentliche Inhalte sind die Frage um die Schweigepflicht, Fortbildung, Werbung oder Vorgaben zum beruflichen Verhalten.
Der MBO vorangestellt ist das "Genfer Gelöbnis" - eine moderne Version des Hippokratischen Eids.
Die jeweiligen Ärztekammern haben dafür zu sorgen, dass die Vorschriften der Berufsordnung von den Ärzten auch eingehalten werden. Der Grund für eine MBO liegt darin, dass die Berufsordnungen der einzelnen Länder möglichst einheitlich gestaltet sein sollen. Nach der Musterberufsordnung haben sich die Berufsordnungen der Länder zu richten.
Bevor die MBO rechtskräftig wird, muss sie jedoch durch die Kammerversammlung der Landesärztekammern als Satzung beschlossen und von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Erst nach einer weiteren Prüfung durch die Landesregierung liegt sie dann als Berufsordnung der Länder vor und wird für jeden Arzt rechtsverbindlich.
Welche Strafen drohen bei Verstößen?
Die Durchsetzung der Berufsordnung unterliegt den zuständigen Landesärztekammern. Grundlage sind die Kammer- und Heilberufegesetze der Länder. Verletzen Ärzte ihre Berufspflichten, kann es in leichten Fällen zu:
- einer Abmahnung,
- einer Rüge oder
- einer Rüge mit Ordnungsgeld (bis zu 5000 Euro) kommen.
In schweren Fällen kann ein berufsgerichtliches Verfahren eingeleitet werden. Dieses wird vor dem Verwaltungsgericht geführt.
Das Berufsgericht besteht aus zwei hauptamtlichen Richtern und zwei ehrenamtlichen ärztlichen Richtern (dies variiert je nach Land). Das Gericht kann bei schweren Verstößenfolgende Strafen verhängen:
- Warnung
- Verweise
- Geldbuße bis zu 50.000 Euro
- Entzug des (aktiven und passiven) Kammerwahlrechts
- Feststellung, dass der Arzt unwürdig ist, seinen Beruf auszuüben.
Bei Verstößen, die gleichzeitig auch einen Straftatbestand erfüllen, kann gegen den Arzt unabhängig von einem berufsgerichtlichen Verfahren ein Strafverfahren stattfinden. Das berufsgerichtliche Verfahren wird dann erst nach Ende des Strafverfahrens wieder aufgenommen.
Auch Wettbewerbsverfahren sind möglich, etwa bei berufsrechtswidriger Werbung. Dann kann ein rechtliches Vorgehen auch nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb in Frage kommen.