Hautkrankheiten

Erstdiagnose via App statt in der Arztpraxis

Bei einem Hautproblem - auch im Intimbereich - einfach ein Foto der betreffenden Stelle schießen und dieses dann zur Abklärung via App an einen Dermatologen übermitteln: Was für Patienten in den USA bereits möglich ist, will der deutsche Entwickler auch hierzulande erreichen. Seine Begründung: Die App könnte den Ansturm auf die Arztpraxen mindern.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Griff zum Smartphone: Die App "Klara" soll Patienten mit Hauproblemen ermöglichen, innerhalb von 48 Stunden zu einer Ersteinschätzung eines Dermatologen zu gelangen.

Griff zum Smartphone: Die App "Klara" soll Patienten mit Hauproblemen ermöglichen, innerhalb von 48 Stunden zu einer Ersteinschätzung eines Dermatologen zu gelangen.

© Goderma GmbH

BERLIN / BAD LIEBENWERDA. Hilft Technik gegen Ärztemangel? Der Berliner Start-up-Unternehmer Simon Bolz ist davon fest überzeugt. Mit dem Gesundheitsökonomen Dr. Simon Lorenz hat der Sozialwissenschaftler das Gemeinschaftsunternehmen Goderma gegründet und eine App entwickelt, die in Zukunft dazu beitragen könnte, Arztbesuche zu vermeiden.

Doch die Vision der Berliner Gründer, eine Erstdiagnose per Foto und Handy, ist in Deutschland stark umstritten. Denn hierzulande gilt laut Berufsordnung ein Fernbehandlungsverbot für Ärzte.

Eine finale Diagnose dürfen Ärzte hier via App nicht stellen. Nur Begutachtung und Empfehlungen sind erlaubt. "Deshalb sind wir nun in die USA gegangen, weil wir dort viel mehr dürfen", sagte Bolz kürzlich in Berlin.

Dermatologe gibt Ersteinschätzung

Seit Beginn des Jahres können Menschen, die sich wegen eines Hautproblems sorgen, mit der App innerhalb von 48 Stunden eine Ersteinschätzung eines Dermatologen erhalten.

Dazu laden sie passwortgeschützt zwei Fotos hoch und füllen einen Fragebogen aus. Ein niedergelassener Facharzt für Dermatologie beurteilt die Informationen und empfiehlt gegebenenfalls einen Arztbesuch.

Mit sieben Ärzten kooperiert Klara in Deutschland. In den USA sind es jetzt bereits 15, Tendenz schnell steigend. Für den dortigen Markt ist das Produkt aus zwei Gründen wesentlich interessanter. Zum einen seien die Menschen dort, "was Mobile Health betrifft schon sehr viel weiter", so Bolz.

Zum Zweiten seien sie daran gewöhnt, für Gesundheitsdienstleistungen zu zahlen. Für Hautarztbesuche würden in den USA schnell 150 Dollar fällig. Die Erstbegutachtung via App soll 39 Dollar kosten. "Deshalb ist der Service auch für unversicherte US-Bürger sehr interessant", sagt Bolz.

Der Berliner Start-up-Unternehmer hat große Pläne: "Wir wollen die führende Firma in der mobilen Medizinkommunikation weltweit werden", sagt er. In Deutschland sieht er sich konkurrenzlos als "absolute Lokomotive im Bereich m-Health".

125.000 Mal heruntergeladen

Die App haben nach Angaben von Bolz bisher 125.000 Menschen weltweit kostenlos heruntergeladen, davon 60.000 in Deutschland. "Mehrere Tausend" haben hierzulande bisher die Gebühr von 29 Euro für die Foto-Beurteilung bezahlt. Der Durchschnittsnutzer ist laut Bolz männlich und 35 Jahre alt.

80 Prozent der vorgetragenen Probleme seien Ausschläge, darunter viele Geschlechtskrankheiten, 15 bis 20 Prozent Leberflecken. Vor allem abends, am Wochenende und feiertags wird die App genutzt.

Dabei geht es Bolz und seinem Kompagnon nicht nur ums Geschäft. Sie sind überzeugt, dass ihr Produkt ein Beitrag zur Gesundheitsversorgung der Zukunft ist.

Auf einen Termin beim Dermatologen warten Patienten deutschlandweit im Durchschnitt 30 Tage. Auf diese Angabe aus einer BKK-Umfrage verweist Bolz, um den Nutzen der App hervorzuheben. Der Mangel an Dermatologen wird nach seiner Einschätzung noch zunehmen. Abhilfe könnte nach Bolzens Auffassung die App schaffen.

"Über 90 Prozent aller Hautprobleme können über ein Bild diagnostiziert werden. Davon wäre bei 70 Prozent eine Therapie ohne physischen Arzt-Patienten-Kontakt möglich", meint Bolz. Er ist jetzt mit dem Berufsverband der Dermatologen, aber auch mit Krankenkassen in Kontakt.

Auch ihm ist klar, dass die Arztbesuche durch "Klara" auch unter veränderten Bedingungen nicht zwangsläufig weniger werden. Aber eine Einteilung in dringende und weniger dringende Fälle hält er für möglich.

Auch die Ärztekammer Berlin, die das Unternehmen beim Start noch mit großem Misstrauen beäugte, steht dem Projekt inzwischen etwas neutraler gegenüber. "Wir werden uns den neuen technischen Entwicklungen auf diesem Gebiet nicht entziehen können", sagte Kammersprecher Sascha Rudat der "Ärzte Zeitung".

Das grundlegende Problem sei, dass die technische Entwicklung sehr schnell sei, die Fortentwicklung der Berufsordnung aber längere Zeit in Anspruch nehme, so Rudat.

Patientensicherheit im Fokus

Er stellte auch klar, dass eine Weiterentwicklung der Musterberufsordnung auf Bundesebene vor allem die Patientensicherheit im Bereich m-Health gewährleisten müsse. Problematisch ist aus seiner Sicht, dass der Arzt nicht dabei ist, wenn der Patient seine Einschätzung erhält.

"Die Diagnose einer Geschlechtskrankheit kann Patienten auch sehr erschrecken", sagte Rudat. Im persönlichen Kontakt könne der Arzt diese Reaktion auffangen.

Eine Art Kompromisslösung fährt das Ärztenetz Südbrandenburg. Es ist bereits 2011 vom Berufsverband der Dermatologen für einen interdisziplinären Behandlungspfad bei Hauterkrankungen ausgezeichnet worden.

Dabei können Hausärzte ihre Erstdiagnose von einem Hautarzt aus dem Ärztenetz telemedizinisch via Foto abklären lassen. Bestätigt der Hautarzt zum Beispiel den Verdacht auf ein malignes Melanom, dann erhält der Patient auch kurzfristig einen Termin.

In weniger dringenden Fällen müssen Patienten gerade im Süden Brandenburgs mitunter monatelang auf einen Hautarzt-Termin warten.

Die Klara-App für iPhone (zum Download) und Android (Zum Download) versteht sich als Brücke zwischen Internet und Arztbesuch. Patienten können dort ihre Hautprobleme anhand von Fotos und einigen Zusatzangaben von Dermatologen begutachten lassen und erhalten innerhalb von 48 Stunden eine Ersteinschätzung und Empfehlung zur Behandlungsdringlichkeit.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Recht des Machbaren?

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