Künstliche Intelligenz
Gender-Bias: KI-Pilotprojekt soll Frauenherzen besser schützen
Bei Herzerkrankungen liegen bei Frauen und Männern genderspezifische Symptomatiken vor, die es Ärzten mitunter schwer machen, ein Herzleiden zu erkennen. Hier soll künftig die Künstliche Intelligenz helfen – ohne Bias.
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Verfügt eine KI-Lösung zur Diagnostik von Herzkrankheiten über die richtigen Algorithmen, so kann sie auch genderadäquat Diagnosen stellen.
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München. Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Medizin sind nur so gut, wie ihre zugrundeliegenden Algorithmen mittels Maschinellen Lernens mit Bildmaterial und anderem Input trainiert wurden. In Fachkreisen wird deshalb von potenziellen Bias-Konstellationen gesprochen.
Eine Herausforderung in diesem Kontext ist die, genderspezifische Symptomatiken früher zu erkennen und die Mortalität insbesondere von Frauen durch Herzerkrankungen weiter zu senken. Denn bislang werden KI-Anwendungen noch zu oft mit Daten gespeist, die männliche Symptomatiken in den Fokus stellen. Dies behauptet zumindest die Strategieberatung Strategy&.
Geschlechtsspezifische KI in Pilotprojekt entwickeln
Diese hat in Kooperation mit dem Peter Osypka Herzzentrum München und der TU München unter der Schirmherrschaft der Bayerischen Staatsministerin für Digitales Judith Gerlach (CSU) nun, wie es in einer Mitteilung vom Freitag heißt, ein Pilotprojekt gestartet, dessen Ziel es sei, eine zukunftsweisende geschlechtsspezifische KI-Anwendung zu entwickeln.
Ein Ziel sei die potenzielle Verringerung von Fehldiagnosen bei Herzinfarkten. „KI kann helfen, Gesundheitsinformationen leichter zu erfassen, auszuwerten, zu objektivieren und zu präzisieren – insbesondere auch, was geschlechtsspezifische Unterschiede betrifft, die bei der Prävention, Diagnostik und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sehr groß sind“, erläutert Petra Justenhoven, Sprecherin der Geschäftsführung bei PwC Deutschland.
Gerlach: Schlüsseltechnologie wird Medizin revolutionieren
Digitalministerin Gerlach attribuiert dem Projekt schon vor dem Start Leuchtturmcharakter: „Für mich ist wichtig, zu zeigen, dass KI das Leben der Menschen besser machen kann. Und das sehr konkret. Ich bin überzeugt, dass die Schlüsseltechnologie KI im kommenden Jahrzehnt das Gesundheitswesen in vielen Bereichen revolutionieren wird. Umso wichtiger ist es, dass wir dabei kontinuierlich auf die sogenannte Bias-Thematik – also genderspezifische Unterschiede, oft zum Nachteil von Frauen – aufmerksam machen und uns für geschlechtersensible KI-Anwendungen einsetzen. Dass dieses Projekt aus München heraus angeschoben wird und alle notwendigen Disziplinen und Kompetenzen kombiniert, freut mich sehr“.
„Nachdem Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland die häufigste Todesursache darstellen, ist es überfällig, Wege der KI zu nutzen, um diejenigen Menschen zu identifizieren, die bisher durch das Screeningraster fallen. Gerade Frauen könnten von dem jetzt initiierten KI-Projekt profitieren, entweder um zu verhindern, dass sie eine Herz-Kreislauf-Erkrankung erleiden, oder damit eine bereits vorhandene Erkrankung schneller und zielgerichteter behandelt wird“, verdeutlicht Privatdozent Dr. Clemens Jilek, Leitender Arzt für Kardiologie und Elektrophysiologie am Peter Osypka Herzzentrum München. (maw)
Ursache geschlechterspezifischer Unterschiede
Wissenschaftliche Studien zeigen bei Frauen und Männern deutliche Unterschiede, was die Symptomatik bei Herzerkrankungen und die entsprechende Behandlung betrifft: So sind die Symptome für einen Herzinfarkt bei Frauen sehr viel weniger eindeutig als bei Männern. Das kann dazu führen, dass viele der spezifischen Beschwerden nicht richtig und schnell genug interpretiert werden und Frauen später einer adäquaten Diagnostik unterzogen werden als Männer.
Die falsche oder verzögerte Diagnostik und eine daraus resultierende ineffektive Behandlung erhöhten die Wahrscheinlichkeit massiv, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen einen ungünstigen, im schlimmsten Fall tödlichen Verlauf nähmen.
Frauen erhielten außerdem unter anderem seltener interventionistische Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen als Männer. Die Folge: Die Mortalitätssrate bei Männern sank in den letzten Jahrzehnten deutlich stärker als bei Frauen.