Hartmannbund-Chef

"Junge Ärzte sollten mutiger sein"

Überstunden gehören zum Arztalltag - doch alles sollten sich Nachwuchs-Ärzte nicht gefallen lassen, findet HB-Chef Dr. Klaus Reinhardt. Im Interview mit der "Ärzte Zeitung" fordert er deshalb einen Kulturwandel bei der Arbeitszeit.

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HB-Chef Dr. Klaus Reinhardt

HB-Chef Dr. Klaus Reinhardt

© Michael Dedeke

Das Interview führte Rebecca Beerheide

Ärzte Zeitung: "Überstunden - das ist doch kostenlose Fortbildung" - diesen fast antiquiert anmutenden Satz hören Assistenzärzte offenbar weiterhin. Was hätten Sie als junger Arzt Ihrem früheren Chef bei solch einer Aussage geantwortet?

Dr. Klaus Reinhardt: Leider spiegeln uns diese oder ähnliche Aussagen noch immer viele unserer jungen Assistenzärzte aus ihrem Alltag wider. Beim korrekten oder aber mindestens fairen Umgang mit Überstunden heißt es in vielen Kliniken noch immer "Fehlanzeige".

Jetzt zu behaupten, ich hätte als junger Arzt da meinem früheren Chef Paroli geboten, wäre im Übrigen unaufrichtig. Wir waren aber zu unseren Zeiten, in denen auf eine freie Assistentenstelle zum Teil fünfzig Bewerbungen eingingen, in einer deutlich schwächeren Position.

Und zu welcher Antwort raten Sie heute?

Reinhardt: Angesichts des spürbaren Mangels an jungen Ärztinnen und Ärzten an den Kliniken und vor dem Hintergrund, dass viele Krankenhäuser gerade Assistenzärzte dringend suchen, können und sollten die jungen Kolleginnen und Kollegen heute mutiger sein und ihre Vorstellungen klar formulieren.

Natürlich weiß jeder angehende Mediziner, dass - gerade auch an Kliniken - der Arztberuf kein Nine-To-Five-Job ist. Trotzdem ist der Anspruch auf planbare Arbeitszeiten und eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit völlig in Ordnung. Das sollten die Assistenzärzte ihren Chefs in angemessener Art und Weise ruhig auch deutlich machen.

Die Appelle, die Dokumentation von Überstunden - und auch den Abbau davon - verbindlich einzuführen, gibt es schon lange. Muss demnächst eine verpflichtende Regelung kommen? Sei es gesetzlich, sei es fest verankert im Tarifvertrag?

Reinhardt: Für mich sind verpflichtende Regelungen, die über das derzeitige Arbeitszeitgesetz hinausgehen, eher die Ultima Ratio. Die bestehenden Spielräume können durchaus für Klinikleitung und Ärzte im Sinne von Flexibilität von Vorteil sein.

Entscheidend ist, dass die Arbeitgeberseite sich dabei fair und konstruktiv verhält. Der Druck, den viele Assistenzärzte empfinden, wenn ihnen der Verzicht auf Überstunden nahe gelegt wird, ist aus meiner Sicht jedenfalls nicht akzeptabel.

Wir dürfen hier nicht die junge Generation verprellen, die mit viel Engagement und Enthusiasmus in den Arztberuf einsteigt. Im Interesse aller Beteiligten brauchen wir insgesamt, und dies beileibe nicht nur mit Blick auf das Thema Arbeitszeit, einen Kulturwandel - vor allem auch im Verhältnis zwischen leitenden Ärzten und der jungen Ärztegeneration.

Hier gibt es noch erheblichen Nachholbedarf, da ist die Zeit an einigen Stellen ein bisschen stehen geblieben. Hier sehe ich auch für unseren Verband mit seiner steigenden Zahl an Assistenzärzten ein wichtiges Betätigungsfeld, dem wir uns verstärkt widmen werden.

Die Antworten, die der Hartmannbund bekommt, sind schon sehr aufschlussreich. Haben Sie das Gefühl, dass sich Gesundheitspolitiker für die Situation in Kliniken interessieren? Schließlich wird bei zu vielen Überstunden hier die nächste Medizinergeneration "verbrannt".

Reinhardt: In der Tat ist offensichtlich die konkrete Arbeitssituation von Ärzten - egal ob in der Klinik oder in der Niederlassung - für die meisten Gesundheitspolitiker weit weg. Wach wird man dort offenbar erst, wenn am Ende der Kette die Versorgung der Patienten massiv gefährdet ist.

Ich würde an dieser Stelle nicht nur an die Politik appellieren, die Dinge zu regeln. Auch die Ärzteschaft hat Gestaltungsmöglichkeiten, die genutzt werden sollten. Wir haben selbstbewusste junge Ärzte, wir haben Ärztemangel und immer mehr Klinikleitungen werden sich der Tatsache bewusst, dass sie ohne einen vernünftigen Umgang mit ihren hoch qualifizierten Mitarbeitern ihren Betrieb nicht werden aufrechterhalten können.

Arbeitsschutzgesetze sind ja auch Patientenschutzgesetze - ist das nach Ihrer Erfahrung Klinikleitungen aber auch Politikern egal?

Reinhardt: Ich glaube nicht, dass Patientenschutz den Gesundheitspolitikern egal ist. Bisher wird allerdings dieser Aspekt deshalb nicht so dramatisch wahrgenommen, weil Ärzte noch immer - teilweise bis an den Rand des Möglichen - durch persönlichen Einsatz und Verzicht auf Freizeit und eigene Bedürfnisse ihre Patienten versorgen, auch wenn längst "Feierabend" ist.

Hier sind wir aber eindeutig am Ende des Machbaren angelangt.

Lesen Sie dazu auch: Junge Ärzte: Sauer über zu viele Überstunden

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