Eingriff ins laufende Steuerjahr
Karlsruhe stärkt Gesetzgeber
Mehr Gestaltungsspielraum für den Staat, ohne den Vertrauensschutz zu schmälern. Das will das Bundesverfassungsgericht.
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Gewerbesteuer: Rückwirkende Gesetzsänderungen sind möglich.
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KARLSRUHE. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die zeitnahe Änderung von Steuervorschriften erleichtert. Änderungen können auch für das bereits laufende Steuerjahr zulässig sein, heißt es in einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Beschluss vom 10. Oktober 2012.
Danach greifen solche Änderungen aber erst ab dem Tag, an dem sie absehbar sind und Steuerpflichtige daher nicht mehr auf den Fortbestand der alten Regelung vertrauen können.
Im konkreten Fall geht es um die Behandlung von Vorabausschüttungen von Gewinnen bei der Gewerbesteuer. Gesetzliche Änderungen hierzu wurden erst am 20. Dezember 2001 beschlossen. Dennoch sah das Gesetz vor, dass die Änderung bereits für das Steuerjahr 2001 gelten sollte.
Das Finanzgericht Münster wollte vom Bundesverfassungsgericht wissen, ob darin eine unzulässige Rückwirkung liegt. Die Karlsruher Richter haben dies nun für die Zeit bis 11. Dezember 2001 bejaht, für spätere Ausschüttungen konnte die Neuregelung aber bereits angewandt werden.
Grund ist, dass der später Gesetz gewordene Änderungsvorschlag im Vermittlungsausschuss am 11. Dezember 2001 in eine Beschlussempfehlung aufgenommen wurde.
Bei der Diskussion um die Rückwirkung von Gesetzen wird zwischen einer "echten" und einer "unechten Rückwirkung" unterschieden. Eine echte Rückwirkung bezieht sich auf bereits abgeschlossene Sachverhalte, etwa ein bereits abgeschlossenes Steuerjahr.
Sie ist in aller Regel unzulässig. Bei einer unechten Rückwirkung greift der Gesetzgeber in laufende Sachverhalte ein. Eine solche unechte Rückwirkung ist rechtlich zulässig, wenn sie durch gewichtige Gemeinwohlbelange gerechtfertigt ist.
Änderungen für das laufende Steuerjahr seien zwar eine unechte Rückwirkung, kämen einer echten Rückwirkung aber sehr nahe.
Allerdings könnten Steuerzahler nicht mehr in die bestehenden Regelungen vertrauen, wenn eine Änderung in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden ist.
Ab diesem Zeitpunkt sei eine Anwendung daher denkbar. Ab dem Tag der Verabschiedung eines Steuergesetzes sei seine Anwendung immer zulässig.
Entscheidung des BVG, Az.: 1 BvL 6/07