Kasse muss Einfrieren von Zellen nicht bezahlen
Bundessozialrichter: Kryokonservierung kann normale Zeugungsfähigkeit nicht wiederherstellen und ist deshalb keine Krankenbehandlung.
Veröffentlicht:KASSEL. Die Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen gehört nicht zu den Leistungen gesetzlicher Kassen. Das gilt auch dann, wenn als Folge einer Krebsbehandlung Unfruchtbarkeit droht, urteilte am Dienstag das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Weiter lehnte das BSG eine Klitorisvergrößerung bei sogenannter Zisidentität sowie die Kostenerstattung für Thalidomid im Jahr 2005 ab.
Im ersten Fall wurde bei dem heute 42-jährigen Kläger ein Rektumkarzinom diagnostiziert. Wegen der anstehenden Chemo- und Bestrahlungstherapie drohte ihm Unfruchtbarkeit. Daher ließ er Samenzellen einfrieren und lagern. Bei der Barmer Ersatzkasse beantragte er, die Kosten von 687 Euro für das erste Jahr zu übernehmen.
Die Kasse weigerte sich - zu Recht, wie das BSG entschied: Das Gesetz weise die Kryokonservierung "der Eigenverantwortung der Versicherten" zu. Sie könne die normale Zeugungsfähigkeit nicht wieder herstellen und sei daher keine Krankenbehandlung. Sie gehöre auch nicht zur künstlichen Befruchtung, sondern sei einer möglichen künstlichen Befruchtung nur vorgelagert.
Mit einem weiteren Urteil lehnte das BSG die Kostenpflicht der Krankenkasse für eine Klitorisvergrößerung bei Zisidentität ab. Dies ist eine Form der Transsexualität, bei der die Betroffenen nicht eine völlige Geschlechtsumwandlung, sondern nur eine teilweise Anpassung an das andere Geschlecht wünschen.
Im Streitfall hatte die Krankenkasse eine Mammareduktionsoperation, eine Hormontherapie mit Testosteron sowie eine subkutane Mastektomie bezahlt. Die von der heute 37-Jährigen zudem gewünschte Klitorisvergrößerung lehnte die Kasse dagegen ab. Die Anwältin der Frau verwies auf 13 Jahre erfolglose Psychotherapie.
Wie normale Transsexuelle sei auch ihre Mandantin "im falschen Körper geboren". Es sei nicht Aufgabe der Krankenkasse, bei den Transsexuellen gewährten Operationen auf die "Bipolarität der Geschlechter" zu achten.
Doch das BSG sah dies anders: Bei psychischem Leidensdruck gehöre im Regelfall nur die Psychotherapie zum Leistungskatalog der Kassen. Transsexualität sei hiervon die einzige Ausnahme. Da es letztlich um ethische Fragen gehe, sei den Gerichten eine weite Auslegung dieser Ausnahme verwehrt.
Sie gelte daher nur für die "Anpassung an das andere Geschlecht" und nicht für Anpassungen an ein "subjektives Idealbild". Ziel der Eingriffe müsse "die Herstellung eines regelhaften Zustandes sein".
Ärzte, die für eine Ausnahmebehandlung ein nur im Ausland zugelassenes Medikament verordnen, sollten ihren Patienten raten, die Behandlung zunächst bei der Krankenkasse zu beantragen. Andernfalls drohen Probleme bei der Kostenübernahme, wie aus dem dritten BSG-Urteil hervorgeht.
Im Streitfall ging es um die Behandlung einer Form von Knochenmarkkrebs mit Thalidomid. Die Krankenkasse hatte den Import bis Mitte 2005 bezahlt und später 2006 auch genehmigt. Für einen Zwischenzeitraum von zehn Monaten blieb dagegen der Apotheker auf Kosten von gut 20 000 Euro sitzen. Wie das BSG bestätigte, hätte er nach dem Mitte 2005 in Kraft getretenen Arzneimittelliefervertrag das Arzneimittel nicht ohne Genehmigung abgeben dürfen.
Urteile des BSG Az.: B 1 KR 26/09 R (Kryokonservierung), B 1 KR 5/10 R (Zisidentität), B 1 KR 3/10 R (Thalidomid)