Ludewig droht mit Aufsicht

Kein Wahlrecht bei eAU und E-Rezept für Ärzte

Vertragsärzte sollen bei E-Rezept und eAU ab Januar 2022 keine freie Wahl haben zwischen der digitalen Variante und Muster 16 beziehungsweise Muster 1. Darauf verweist ein brisanter Brief aus dem BMG, unterzeichnet vom Abteilungsleiter für Digitalisierung.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht: | aktualisiert:
Dr. Gottfried Ludewig (CDU), Abteilungsleiter Digitalisierung im Bundesgesundheitsministerium, fordert von der KBV, sich an den Bundesmantelvertrag und das SGB V zu halten. (Archivbild)

Dr. Gottfried Ludewig (CDU), Abteilungsleiter Digitalisierung im Bundesgesundheitsministerium, fordert von der KBV, sich an den Bundesmantelvertrag und das SGB V zu halten. (Archivbild)

© Jens Kalaene / dpa / picture alliance

Berlin. Wer kann, der muss: „Nur dann, wenn die technischen Voraussetzungen in einer Praxis nicht gegeben sein sollten“, müssen Vertragsarztpraxen das E-Rezept oder die elektronische AU-Bescheinigung nicht nutzen. Darauf hat der Abteilungsleiter Digitalisierung und Innovation Dr. Gottfried Ludewig in einem Brief vom 8. Dezember an KBV-Chef Dr. Andreas Gassen verwiesen. Der Brief liegt der „Ärzte Zeitung“ vor.

„Ein freies Wahlrecht zwischen der elektronischen Übermittlung und der Papierform ist weder mit den gesetzlichen noch mit den bundesmantelvertraglichen Vorgaben vereinbar“, betont Ludewig in dem Brief. Dieser ist wahrscheinlich eine seiner vorläufig letzten Amtshandlungen im BMG. Ludewig, zuvor als CDU-Vertreter im Berliner Abgeordnetenhaus, war vor fast vier Jahren als Abteilungsleiter von Bundesminister Jens Spahn (CDU) eingesetzt worden. Es galt als sicher, dass er nach dem Ministerwechsel das Haus verlassen würde. Im Organigramm des Ministeriums (Stand 8. Dezember) war er allerdings auch am Sonntag (12. Dezember) noch als Abteilungsleiter aufgeführt.

Anlass für den Brief ist offensichtlich eine Beschwerde des GKV-Spitzenverbands über die Richtlinie der KBV zur Durchführung von E-Rezept und eAU in einer Übergangsphase bis Ende Juni 2022.

Richtlinie legt Wahlfreiheit nahe

Ludewig nimmt die Richtlinie der KBV zur Durchführung von eAU und E-Rezept aufs Korn. Dort heißt es zwar in der Präambel: „Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sind ab dem 1. Januar 2022 grundsätzlich verpflichtet, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und die elektronische Arzneimittelverordnung (E-Rezept) zu nutzen und dabei Daten elektronisch zu übermitteln.“ Doch sind die Paragrafen 1 und 2 so formuliert, dass sie eine Wahlfreiheit nahelegen, das Kassenrezept und die AU-Bescheinigung elektronisch oder auf den alten Mustern 16 beziehungsweise 1 zu übermitteln.

Die Wahlfreiheit bestreitet Ludewig in seinem Brief und verweist auf die Vorgaben dazu im Bundesmantelvertrag. In einer eigenen Mitteilung zu der Richtlinie hatte die KBV Anfang November formuliert: „Vertragsärztinnen und Vertragsärzte erhalten so die Möglichkeit, etablierte Prozesse bis Ende Juni weiter zu nutzen, falls die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und das Ausstellen von E-Rezepten technisch nicht umsetzbar sind. Sie können AU-Bescheinigungen und Arzneimittelrezepte übergangsweise auch komplett in Papierform ausstellen.“

Diese Formulierung kommt dem Einwand Ludewigs sehr nahe, da ausdrücklich die technische Nichtumsetzbarkeit als Voraussetzung dafür genannt ist, noch die alten Formulare zu nutzen.

Drohung mit „aufsichtsrechtlichen Maßnahmen“

Ob diese alten Formularmuster ab Januar überhaupt noch verfügbar sein werden, bleibt nach der Formulierung Ludewigs in dem Brief offen: Die Kassen seien „über den 31. Dezember 2021 hinaus nicht verpflichtet, die bisherigen Papiervordrucke zur Verfügung zu stellen“, heißt es in dem Brief an die KBV.

Er „gehe davon aus“, dass KBV-Chef Gassen „auf geeignete Weise und somit in der inhaltlichen Fortführung der bisherigen diesbezüglichen öffentlichen Kommunikation sicherstelle, dass die Vertragsärztinnen und -ärzte hierüber informiert sind und die Verfahren entsprechend umsetzen“, schreibt Ludewig und droht zum Schluss, „vorsorglich“ behalte er sich „die Prüfung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen ausdrücklich“ vor.

Ob das Ministerium am Ende tatsächlich auf den Tisch hauen muss oder will, bleibt derweil offen. „Wir werden mit allen Beteiligten nach einer pragmatischen Lösung suchen“, äußert sich die KBV auf Anfrage. „Was zum Januar passiert bei der eAU, das ist noch nicht klar“, äußerte sich jüngst auch Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, auf der Verwaltungsratssitzung des Verbands.

Man befinde sich mit der KBV in „schwierigen Gesprächen“. Die KBV könne nicht eigenmächtig neue Bestimmungen erlassen und müsse sich an die gesetzlichen Regelungen halten, nach denen die eAU ab Januar 2022 vorgeschrieben ist, sagte Pfeiffer. Auch die gematik hatte vor kurzem darauf verwiesen, dass die Ärztinnen und Ärzte, die dies technisch können, nach wie vor verpflichtet seien, auf E-Rezept und eAU umzusteigen. Die technischen Voraussetzungen dafür seien gegeben.

Koalition will aufs Tempo drücken

Ob der Brief nach dem Ministerwechsel Grundlage für das weitere Vorgehen des BMG bleibt, ist schwer einzuschätzen. Immerhin hatte die Koalition in ihrem Vertrag vereinbart, eher aufs Tempo zu drücken, was für die Aufrechterhaltung der Rechtsposition Ludewigs spricht.

Eine Orientierung für den neuen Gesundheitsminister könnte die folgende Passage im Vertrag sein: „Wir beschleunigen die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezeptes sowie deren nutzenbringende Anwendung und binden beschleunigt sämtliche Akteure an die Telematikinfrastruktur an.“ (Mitarbeit: juk)

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