Gesundheitswesen
Keine Angst um Arbeitsplatz
Seit über zehn Jahren ist die Zahl der Ärzte in deutschen Kliniken stark gestiegen und trotzdem herrscht noch Mangel. Das konnten die Ärzte für sich nutzen. Bei den Pflegekräften verlief die Entwicklung etwas anders.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Angst vor Arbeitslosigkeit? In einigen Berufszweigen ist das derzeit nahezu absurd. Ärzte, Krankenschwestern- und- pfleger sowie Altenpfleger werden in Deutschland händeringend gesucht.
Der heimische Arbeitsmarkt kann den Bedarf schon lange nicht mehr decken. Ohne immer mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland müsste manche Station geschlossen werden.
Ein Mangel an Arbeitskräften stärkt bekanntermaßen die Position der Beschäftigten. Das haben vor allem die Ärzte erkannt und ihre Chance genutzt.
Sie haben sich im Jahr 2006 erstmals eigene Tarifverträge erstreikt. Zuvor hatte der Marburger Bund (MB) die Tarifgemeinschaft mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aufgekündigt.
Die Ärzte sahen mit dem übermächtigen Partner, der alle Berufsgruppen des Öffentlichen Dienstes vertritt, ihre Anliegen nicht mehr ausreichend berücksichtigt.
Tarifverträge für Ärzte
Seit dieser Zeit sind zum Beispiel die Gehälter der Ärzte an kommunalen Kliniken durchschnittlich etwa um 2,5 Prozent pro Jahr gestiegen. Verdiente ein Assistenzarzt im vierten Berufsjahr 2006 noch 4000 Euro im Monat, sind es jetzt 4890 Euro - ohne Zuschläge.
Laut MB und Verdi entspricht das ungefähr der allgemeinen Tarifentwicklung. Abgesehen von den linearen Tariferhöhungen sind allerdings immer wieder für einzelne Arztgruppen Verbesserungen erreicht worden. So wurden 2008 in einigen Bereichen für Fachärzte die Stufenlaufzeiten von 48 und 60 Monaten auf 24 Monate reduziert.
2010 einigten sich die Tarifpartner darauf, dass junge Ärzte die nächsthöhere Entgeltstufe ein halbes Jahr früher als zuvor erreichen können.
Der MB, der sich zwangsläufig von einem Ärzteverband zu einer voll funktionsfähigen Gewerkschaft entwickeln musste, hat bei seinem Kampf für arztspezifische Tarifverträge immer betont, dass es ihm nicht nur um einfache Tariferhöhungen gehe, sondern auch um mehr Anerkennung für Bereitschafts- und Wochenenddienste oder um bessere Arbeitsbedingungen.
Im vergangenen Jahr setzte er für Ärzte an kommunalen Kliniken eine durchschnittliche Erhöhung der Bereitschaftsdienstentgelte um 7,1 Prozent durch.
Verbesserungen wurden auch bei der Zahl der Urlaubstage, der Höchstarbeitszeitgrenzen - Reduzierung von 60 auf 58 Wochenstunden erzielt. Hier wurde zudem der Ausgleichszeitraum zur Berechnung des Durchschnitts von einem Jahr auf sechs Monate gesenkt.
Begrenzter Kuchen
Bei den Tarifabschlüssen wurde aber wohl auch von Arbeitgeberseite darauf geachtet, dass die Schere bei den Tarifsteigerungen zwischen Ärzten und Pflegekräften nicht zu weit auseinandergeht.
Die Entwicklung in den verschiedenen Berufsgruppen soll sich auch nach dem Wunsch der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) nicht zu weit auseinanderentwickeln, weil das zu Unruhe in den Krankenhäusern führe, so die Einschätzung eines Verdi-Sprechers.
Der Kuchen, den es zu verteilen gebe, sei begrenzt, aber die Konkurrenz unter den Gewerkschaften, die ihren Mitgliedern möglichst große Stücke vom Kuchen sichern wollen, werde immer schärfer.
Unterschiedlich ist die Personalentwicklung im ärztlichen und im Pflegedienst verlaufen. So ist die Zahl der Ärzte in den Kliniken nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zwischen 2004 und 2014 von 117.681 auf fast 151.000 gestiegen.
Im Pflegedienst gab es dagegen eine Auf- und Ab-Entwicklung. Waren zur Jahrtausendwende noch über 332.000 Pflegekräfte in den Kliniken beschäftigt, sank die Zahl in den folgenden sieben Jahren um 34.000. Seitdem geht es aber auch hier wieder bergauf. Ende 2014 registrierte Destatis wieder fast 319.000 Pflegekräfte.
Das zum Jahresbeginn in Kraft getretene Krankenhausstrukturgesetz sieht weitere Anreize vor, Pflegekräfte einzustellen. Die Finanzmisere vieler Kliniken wurde offenbar lange auf dem Rücken der Pflegekräfte ausgetragen.
Aus für den Arzt im Praktikum
Die positive Personalentwicklung bei den Ärzten geht dagegen vor allem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2003 zurück. Ärztlicher Bereitschaftsdienst sei grundsätzlich als Arbeitszeit zu werten, entschieden die Richter.
Für deutsche Kliniken bedeutete das, Personalplanung umstellen und sich auf die Suche nach Ärzten machen. Aus einem vermeintlichen zuviel an Ärzten, in den 1980er und 1990er Jahren war plötzlich ein Ärztemangel geworden.
Dieser plötzliche Mangel beschleunigte auch das Ende des ungeliebten Arztes im Praktikum. Der wurde nach 16 Jahren zum 1. Oktober 2004 abgeschafft. Seitdem erhalten Mediziner nach abgeschlossenem Studium wieder sofort die Approbation und können als Assistenzärzte arbeiten.