Sachsen

Kliniken ächzen unter steigenden COVID-19-Zahlen

In Sachsen spitzt sich die Lage zu: Weil die Kliniken die steigende Zahl an COVID-19-Patienten kaum noch stemmen können, wird nicht nur innerhalb des Landes verlegt. Auch andere Bundesländer sollen helfen.

Sven EichstädtVon Sven Eichstädt Veröffentlicht:
Professor Thomas Grünewald, Infektiologe vom Klinikum Chemnitz, ist in Sorge wegen der wachsenden Zahl an COVID-19-Erkrankungen.

Dr. Thomas Grünewald, Infektiologe vom Klinikum Chemnitz, ist in Sorge: Das Erzgebirge gehört neben Ostsachsen zu den Regionen mit dem stärksten Infektionsgeschehen im Freistaat.

© Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Aue. Kliniken im aktuell von der Corona-Pandemie besonders betroffenen Sachsen bereiten sich darauf vor, COVID-19-Patienten in andere Bundesländer zu verlegen, weil ihre Kapazitäten bald erschöpft sein könnten. „Das müssen wir jetzt schon planen“, sagte Dr. Thomas Grünewald, Leiter der Klinik für Infektions- und Tropenmedizin am Klinikum Chemnitz, in Aue bei einem Pressegespräch. „Wir sind nicht so blauäugig, dass wir denken, wir bekommen das allein hin.“

Das kommunale Krankenhaus ist neben den beiden Universitätsklinika in Dresden und Leipzig einer der drei Maximalversorger des Freistaats, die in ihren Regionen jeweils die stationäre Versorgung von Patienten mit COVID-19 koordinieren. Das Universitätsklinikum Leipzig nimmt nun auch schwerkranke Corona-Patienten aus Kliniken aus der Dresdner Region auf oder verteilt sie auf andere Kliniken in Leipzig.

Aus der ebenfalls stark betroffenen Chemnitzer Gegend werden schon seit einiger Zeit Patienten nach Leipzig verlegt, weil hier wie nun auch in Dresden die Kapazitäten oftmals nicht ausreichen.

Mehr COVID-19-Fälle, aber weniger Personal

„Wenn die Entwicklung der Infektionszahlen in Sachsen so weitergeht, halten wir das bis Weihnachten nicht mehr durch“, schätzte Professor Christoph Josten, Medizinischer Vorstand des Leipziger Universitätsklinikums und fürchtet: „Dann müssen wir zu Weihnachten die weiße Fahne hissen.“

Josten berichtete davon, dass zur Betreuung der Corona-Patienten in den Kliniken „ganze Stationen“ geschlossen würden, Psychiater auf Normalstationen arbeiteten und auf allen möglichen Wegen nach Pflegekräften gesucht werde, die früher schon mal auf einer Intensivstation gearbeitet hätten. „Wir haben im Unterschied zum Frühjahr mehr Patienten, die an COVID-19 erkrankt sind und weniger Ärzte und Pfleger“, sagte Josten.

Grünewald ergänzte, dass derzeit rund 30 Prozent weniger Mitarbeiter in den Kliniken verfügbar seien als zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr. „Ein Teil von ihnen ist selbst mit dem Coronavirus infiziert, rund um Weihnachten und den Jahreswechsel haben viele Urlaub und demnächst werden mehrere Mitarbeiter auch die Kinderbetreuung zu organisieren haben“, schilderte der Mediziner.

Sachsen reagiert mit verschärften Maßnahmen

Sachsen hatte noch vor der Bund-Länder-Einigung verschärfte Maßnahmen ab dem 14.Dezember beschlossen, zu denen auch das Schließen von Kindergärten und Schulen gehört. Josten und Grünewald unterstützen den Lockdown komplett. „Wir haben jeden Tag 50 bis 100 COVID-19-Tote in Sachsen“, so Grünewald. „Das sind Zahlen, die wir nicht akzeptieren können“, ergänzte er.

„Es braucht jetzt andere, autoritäre Maßnahmen des Staates“, betonte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). „Wir sind sehr spät mit unseren Maßnahmen und es wäre besser gewesen, früher zu handeln“. Sachsen hat sich zum Bundesland mit dem höchsten Inzidenzwert in der Bundesrepublik entwickelt.

„Wir haben es nicht geschafft, eine Bewusstseinsbildung zu den Gefahren durch das Coronavirus in der Bevölkerung zu schaffen“, so Kretschmer. „Im Vergleich zum Frühjahr gibt es einen viel lockeren und unbedarfteren Umgang mit den Corona-Maßnahmen bei den Menschen in Sachsen.“ Der Ministerpräsident fügte an, dass er „null Verständnis für Verschwörungstheoretiker und Corona-Leugner“ habe. „Dem müssen wir alle widersprechen.“

Vermehrt junge Patienten mit COVID-19

Uniklinikums-Vorstand Josten schilderte, dass nach den Demonstrationen von Querdenkern in Leipzig im November mit bis zu 45.000 Teilnehmern ein „bekannter Querdenker, der in Leipzig demonstriert“ habe, selbst an COVID-19 erkrankt sei. Er sei acht Tage später intubiert worden.

Grünewald berichtete zudem, dass in den Kliniken mittlerweile auch viele junge Menschen lägen, die schwer an COVID-19 erkrankt seien. „Sie sagen, das Atmen ist so, wie wenn man versucht, unter Wasser Luft zu holen.“

Josten ergänzte, dass derzeit die Hälfte der COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen in Sachsen jünger als 60 Jahre sei. „Die Sterblichkeitsrate auf den Intensivstationen unter den Corona-Kranken beträgt rund 40 Prozent“, sagte der Klinik-Vorstand.

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