Telemedizin
Kostenvorteil kann Kassen kalt lassen
Kassen müssen für Telemedizin nur bezahlen, wenn sie im GKV-Leistungskatalog verankert ist, so das Sozialgericht Berlin.
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Die Eltern eines kranken Jungen wollten ihre Kasse dazu bringen, für Telemedizin zu zahlen. Das Sozialgericht Berlin urteilte nun zugunsten der Kasse.
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BERLIN. Eine Krankenkasse muss nicht die Kosten für ein telemedizinisches Angebot übernehmen, das nicht im GKV-Leistungskatalog aufgenommen ist. Andere Aspekte interessieren bei der Kostenübernahme nicht, so das Sozialgericht (SG) Berlin in einem aktuellen Urteil. Das Urteil ist rechtskräftig.
Im konkreten Fall wollten die Eltern eines einjährigen Jungen erreichen, dass die Techniker Krankenkasse die Kosten für ein von der Uni Graz entwickeltes telemedizinisches Sonden-Entwöhnungsprogramm übernimmt.
Der Sohn war 2015 mit einer Fehlbildung der Speiseröhre zur Welt gekommen. Mehrmals musste er deswegen operiert werden. Während dieser Zeit wurde er mittels Sonde ernährt. Als er auf die normale Nahrungsaufnahme umgestellt werden sollte, reagierte er mit Würgreiz und Erbrechen.
Das folgende "Netcoaching" war erfolgreich: Durch Videoanalysen, tägliche Cybervisiten und Beratungen per E-Mail gelang es, den Jungen zuhause umzustellen. Die Kosten von rund 4300 Euro streckten die Großeltern vor.
Eltern pro Telemedizin: "Kostengünstigste Lösung"
Die Eltern argumentierten vor Gericht, dass die telemedizinische Behandlung im häuslichen Umfeld die "beste und auch kostengünstigste Lösung" war. Eine stationäre Behandlung hätte ihren Sohn psychisch erheblich belastet und zudem großer Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Eine Kostenübernahme durch die Kasse sei deshalb angebracht.
Das SG wies die Klage mit Hinweis auf den Leistungskatalog ab. Die GKV sei nicht schon dann leistungspflichtig, "wenn eine begehrte Therapie nach Einschätzung des Versicherten oder eines Arztes zu befürworten" sei.
Sicher sei das telemedizinische Sonden-Entwöhnungsprogramm billiger als ein Klinikaufenthalt. Es berge aber auch Risiken, weil Ärzte die Patienten nicht selbst untersuchen und bei Komplikationen nicht schnell eingreifen könnten. Es sei Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), Nutzen und Gefahren einer Behandlungsmethode zu bewerten.
Eine Ausnahme, die ein Abweichen von dem Leistungskatalog erlaube, liege nicht vor. Anhaltspunkte für ein Systemversagen seien nicht ersichtlich. Und der Junge leide auch nicht an einer lebensbedrohlichen Krankheit, die den Einsatz einer neuen Behandlungsmethode zu Lasten der GKV rechtfertige.
Bislang hat der GBA nur die Überwachung von Patienten mit einem Defibrillator oder CRT-System sowie die Videosprechstunde als telemedizinische Leistungen mit einer EBM-Ziffer versehen. (juk)
Sozialgericht Berlin
Az.: S 81 KR 719/17