Überraschungsurteil
Macht der KV-Vorstände gestärkt
Die Richter des Bundessozialgerichts haben entschieden: Vom Vorstand ausgehandelte Verträge unterliegen keinem Genehmigungsvorbehalt der Vertreterversammlung.
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Das Bundessozialgericht in Kassel.
© Bernd Schoelzchen / dpa
KASSEL. Mit einem Überraschungsurteil hat das Bundessozialgericht (BSG) die Vorstände der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen aufgewertet.
Von ihnen ausgehandelte Verträge dürfen nicht einem Genehmigungsvorbehalt der Vertreterversammlung unterliegen, urteilte die Kasseler Richter am Mittwoch. Das gelte auch für die Gesamtverträge.
Damit nutzte der Vertragsarztsenat des BSG einen Streit zwischen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) und dem Land Baden-Württemberg zu einem Urteil von bundesweiter Bedeutung für die Machtbalance zwischen Vorstand und Vertreterversammlung in den KVen und KZVen.
Außenvertretung originäre Kompetenz des Vorstands
Im konkreten Fall ging es um einen Genehmigungsvorbehalt für Selektivverträge - und damit eher um ein Unikum in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Landschaft.
Soweit es sich um "substituierende Verträge" handelt, die die Regelversorgung ersetzen, seien sie von grundsätzlicher Bedeutung, argumentierte die KZV. Daher müsse es das Recht der Vertreterversammlung sein, dies mit einem Genehmigungsvorbehalt zu überprüfen.
Hintergrund sind die gesetzlichen Regelungen, wonach in den KVen und KZVen ebenso wie in ihren Bundesvereinigungen die Vorstände für das laufende Geschäft zuständig sind, die Vertreterversammlungen aber für alle grundsätzlichen Fragen.
Dennoch hatte hier das Land als Aufsichtsbehörde die Satzungsänderung bezüglich der Selektivverträge nicht genehmigt - zu Recht, wie nun das BSG entschied.
Ein Zustimmungsvorbehalt ist weder bei den Selektiv- noch bei Gesamtverträgen zulässig, urteilte der Vertragsarztsenat in Kassel. Das Gesetz weise dem Vorstand "die Außenvertretung als originäre Kompetenz zu".
Zudem setze das gesamte gesetzliche Konzept auf Verhandlungslösungen zwischen Selbstverwaltung und Kassen. Dies setze die Kompetenz zum Kompromiss ebenso voraus wie "die Flexibilität, sich verbindlich zu einigen", so das BSG zur Begründung.
Az.: B 6 KA 48/12 R