Medizinproduktezulassung
MedTech fordert wegen Corona MDR-Moratorium
COVID-19 hat zunehmend auch die europäischen Zulassungsbehörden für Medizinprodukte im Griff – und droht, sie lahmzulegen. Deshalb fordert der deutsche Branchenverband BVMed eine Verschiebung des Geltungsbeginns der neuen EU-Medizinprodukteverordnung MDR vom 26. Mai 2020 auf die Zeit nach der Pandemie.
Veröffentlicht:Berlin/Brüssel. Sind bereits mehrere europäische Medizintechnikunternehmen angesichts der höheren Anforderungen beinahe ins Straucheln geraten, die die novellierte EU-Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation/MDR) ab 26. Mai an die Zulassung ihrer Produkte stellt, und hat die EU-Kommission bereits gewisse Übergangsfristen für bestimmte Produktgruppen im Zuge von Korrigenda gewährt, so tut sich für die Branche nun neues Ungemach auf.
Wenig verwunderlich in diesen turbulenten Zeiten, ist es das Corona-Virus, das der Branche nun die Schlinge um den Hals legt. Zwar sei es, wie der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) betont, die oberste Priorität der Branchenunternehmen, in der Pandemiephase alle notwendigen Produkte für die medizinische Versorgung der Bevölkerung in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen.
Vor-Ort-Audits ausgesetzt
Allerdings fordert das Corona-Virus offensichtlich auch in der Zulassungsmaschinerie seinen Tribut. Wie es heißt, schlössen bereits die ersten der wenigen für die Zulassung der Medizinprodukte zuständigen Benannten Stellen oder schränkten ihren Betrieb ein. Vor-Ort-Audits in den Betrieben fänden angesichts der Infektionsgefahr ebenfalls nicht mehr statt, bilanziert der Branchenverband.
„Vor diesem Hintergrund ist der Geltungsbeginn der MDR am 26. Mai 2020 nicht zu halten. Wir haben eine breite Allianz der von den Medizinprodukte-Regularien Betroffenen – mit einer klaren Botschaft an die EU-Kommission: der MDR-Geltungsbeginn muss ausgesetzt werden. Wir brauchen ein MDR-Moratorium!“, appelliert BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll an die gesundheitspolitischen Entscheider in Europa.
Wie der BVMed hinweist, gebe es auf europäischer und nationaler Ebene bereits Maßnahmen, um die Herstellung und Abgabe von Medizinprodukten in Coronavirus-Krisenzeiten zu erleichtern. Das sei in Pandemie-Zeiten gut und sinnvoll, zollt die Branche der Politik ihr Lob.
Die Bundesregierung habe früh angekündigt, notwendige Medizinprodukte – vor allem medizinische Schutzausrüstung – zur Not auch ohne CE-Kennzeichnung zu beschaffen. „Wenn das möglich ist, muss es auch möglich sein, bewährte Altprodukte, die noch kein neues MDR-Zertifikat haben, länger im Markt zu halten“, verleiht Möll seiner Forderung Nachdruck.
MDR-Personal muss sich um Corona-Belange kümmern
Aus den Reihen seiner Mitgliedsunternehmen bekomme der BVMed zunehmend zurückgespiegelt, dass Mitarbeiter, die sich die letzten Jahre mit den neuen, umfassenden MDR-Regularien beschäftigt hätten, nun in Entwicklungsteams einbezogen würden, um Produktion und Entwicklung zugunsten der Coronavirus-Bekämpfung umzuschichten. „Naturwissenschaftler und Projektmanager, die eigentlich für das MDR-Projekt arbeiten, könnten verstärkt zur Pandemie-Bekämpfung herangezogen werden. Dafür benötigen wir aber schnell das Signal, dass es ein MDR-Moratorium geben wird, bis die aktuelle Krise überwunden ist“, verdeutlicht BVMed-Geschäftsführer Möll. Und mahnt staatsmännisch: „Die Zeit dafür läuft, jeder Tag zählt!“