Wissenschaftsrat

Medizininformatik – ein Mauerblümchen?

Der Wissenschaftsrat fordert, die Informatik noch attraktiver zu machen, da sie inzwischen zur akademischen Kerndisziplin geworden ist. Potenzial bietet allen voran die Medizininformatik.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Medizininformatiker haben einen großen beruflichen Gestaltungsspielraum.

Medizininformatiker haben einen großen beruflichen Gestaltungsspielraum.

© metamorworks / Getty Images / iStock

Köln. Kein anderes Fach hat in den vergangenen Jahrzehnten so eine steile akademische Karriere hingelegt wie die Informatik, die sich rasant vom akademischen Neuling in den 1960er-Jahren zu einem der gefragtesten Studienfächer und einer forschungsstarken Disziplin der Gegenwart entwickelt hat. Geht es nach dem Wissenschaftsrat (WR), hat die Informatik noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht.

In seinen jüngst verabschiedeten „Perspektiven der Informatik in Deutschland“ empfiehlt der Wissenschaftsrat Maßnahmen zur Stärkung des Faches, da mittlerweile alle Lebensbereiche von Informatiksystemen und -produkten durchdrungen seien. Der Bedarf an Informatikern auf dem inner- wie außerakademischen Arbeitsmarkt sei immens, so der WR.

In seinen Empfehlungen hat der Wissenschaftsrat einen Schwerpunkt auf die Frage gelegt, wie der Personalknappheit entgegengewirkt werden kann. „Es ist wichtig, auf verschiedenen Ebenen anzusetzen“, so die Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Professorin Dorothea Wagner, die selbst vom Fach ist.

In diesem Sinne empfiehlt das wissenschaftspolitische Beratungsgremium von Bund und Ländern zum einen Maßnahmen, um Stellen im akademischen Raum noch attraktiver zu machen. Zum anderen hält der Wissenschaftsrat aber auch große Anstrengungen für erforderlich, damit noch mehr junge Menschen ein Informatikstudium aufnehmen und erfolgreich abschließen.

160 Millionen Euro für Medizininformatik

Die Informatik bietet auch für die medizinische Forschung noch viele Optionen. Um die interdisziplinäre Forschung voranzutreiben und um Daten aus Krankenversorgung und Forschung besser nutzbar zu machen, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung daher seit 2017 auf Drängen der damaligen Amtsinhaberin Johanna Wanka (CDU) die Medizininformatik-Initiative mit rund 160 Millionen Euro. Die Fördermaßnahme soll die medizinische Forschung stärken und die Patientenversorgung verbessern.

Die Medizininformatik könnte dringend akademischen Nachwuchs gebrauchen, wie auch der WR attestiert. Denn im Wintersemester 2018/19 seien an den Universitäten gerade einmal 0,6 Prozent der Informatikstudenten im Bereich Medizininformatik eingeschrieben gewesen – an den Fachhochschulen seien es 2,3 Prozent gewesen.

Mehr Frauen in der Medizininformatik

In absoluten Zahlen ausgedrückt, hat sich die Anzahl der Medizininformatikstudenten an den Universitäten binnen zehn Jahren vom Wintersemester 2009/2010 von 315 auf 740 zum Wintersemester 2018/2019 mehr als verdoppelt; an den Fachhochschulen stieg die Anzahl von 1125 auf 2370 Studierende.

Auffallend ist laut WR die Tatsache, dass der Frauenanteil in der Medizininformatik mit 45 Prozent wesentlich höher sei als in anderen Teilgebieten. Die Experten führen dies darauf zurück, dass die interdisziplinäre Verknüpfung mit der Medizin besonders für Frauen attraktiv sei. Dies sei womöglich auch ein Hebel, um noch mehr Frauen vom Gymnasium weg in das Studium der Medizininformatik zu locken, spekuliert der WR.

Wissenschaftsrat empfiehlt Bündelung der Kräfte

Nicht nur in der Medizin verspricht der Themenkomplex Künstliche Intelligenz (KI) revolutionäres Potenzial für Diagnostik und Therapieunterstützung. Auch in andere Bereichen, wie zum Beispiel dem autonomen Fahren, führt kein Weg an KI – und damit letzten Endes auch (medizin-) informatischem Know-how vorbei.

Das berücksichtigt auch der WR in seinen Empfehlungen: „Angesichts des globalen Wettbewerbs hält der Wissenschaftsrat eine Bündelung der Kräfte zur Stärkung der deutschen Informatik und Steigerung ihres innovativen Potenzials für notwendig. Dazu empfiehlt er neben Prozessen der standortbezogenen Profilbildung die Etablierung von regionalen Forschungs- und Innovationsökosystemen, welche gleichzeitig zur Steigerung der Attraktivität von Standorten beitragen können“, heißt es in den Perspektiven. In deren Rahmen sollten wissenschaftliche Einrichtungen und Unternehmen unterschiedlicher Größenordnung eng zusammenarbeiten zu einem thematischen Schwerpunkt.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen

Cottbus: Großes Interesse an neuer Medizinuniversität

Antwort auf Anfrage der Linken

Physiotherapeuten-Reform ohne Happy End

Das könnte Sie auch interessieren
Ein Roboter, der Akten wälzt? Künstliche Intelligenz kann bereits mit Leitlinien umgehen – jedenfalls wenn sie so gut strukturiert sind wie die der DEGAM.

© Iaroslav / stock.adobe.com

Digitalisierung in der Medizin

Kollegin Dr. ChatGPT? Wie Künstliche Intelligenz Ärzten helfen könnte

Digital und innovativ: Klinikum Siegen überzeugt von Fluency Direct

© Solventum Germany GmbH

Solventum Spracherkennung

Digital und innovativ: Klinikum Siegen überzeugt von Fluency Direct

Anzeige | 3M Healthcare Germany GmbH
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Carl Billmann, Leiter der Stabsstelle IT, Marketing & Kommunikation bei BillmaMED, Medizinstudent mit dem Berufsziel Dermatologe.

© Doctolib

Interview

„Am Empfang haben wir Stress rausgenommen“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Die Patientin tippt ihre Nachricht ins Smartphone, das Praxisteam antwortet direkt über
den Desktop. So sind Vereinbarungen über ein E-Rezept oder eine Befundmitteilung vom Facharzt schnell übermittelt.

© [M] Springer Medizin Verlag | Foto: A_B_C / stock.adobe .com

Digitale Patientenkommunikation

„Das Potenzial für die Zeitersparnis ist riesig“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Suchtmedizin

Evidenzbasierte Strategien gegen Alkoholabhängigkeit

Lesetipps
Eine Ärztin untersucht die Hand eines älteren Patienten in einer Klinik.

© Drazen / stock.adobe.com

ACR-Kongress

Fünf M für eine bessere Versorgung älterer Rheumapatienten