Krankengeld

Mit "krank bis auf Weiteres" auf Nummer sicher

Für eine Krankschreibung ohne zeitliches Ende oder neuen Arzttermin können Ärzte Floskeln wie "bis auf Weiteres" verwenden. Damit schützen sie sogar ihre Patienten vor der Krankenkasse.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Schreibt ein Arzt "bis auf Weiteres" Krank, muss die Kasse Krankengeld zahlen, auch wenn eine Folgebescheinigung, die den Fortbestand der Erkrankung bestätigt, verspätet ausgestellt wird.

Schreibt ein Arzt "bis auf Weiteres" Krank, muss die Kasse Krankengeld zahlen, auch wenn eine Folgebescheinigung, die den Fortbestand der Erkrankung bestätigt, verspätet ausgestellt wird.

© Bernd Leitner / panthermedia

STUTTGART. Die Krankschreibung eines Arbeitnehmers "bis auf Weiteres" kann dessen Anspruch auf Krankengeld sichern. Mit dem Ende eines Bewilligungsabschnitts für Krankengeld läuft eine solche Krankschreibung nicht automatisch aus.

Eine erneute ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit muss dann nicht mehr vorgelegt werden, "unabhängig davon, ob die Krankenkasse dieser Beurteilung folgt oder nicht". So entschied aktuell das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil.

Das Urteil betrifft ehemalige Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnis ausgelaufen ist, etwa wegen einer Befristung, einer Kündigung oder wegen Erreichen des Rentenalters. Wenn sie noch vor Ende des Arbeitsverhältnisses krank werden und eine entsprechende Bescheinigung vorlegen, haben sie auch noch Anspruch auf Krankengeld.

Wie auch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel kürzlich nochmals bekräftigt hat, muss dann eine Folgebescheinigung noch vor Auslaufen der Erstbescheinigung ausgestellt sein.

In dem Stuttgarter Fall war nun streitig, was dies für eine Krankschreibung "bis auf Weiteres" bedeutet. Eine Bürokauffrau war 2008 entlassen worden. Ihr Hausarzt schrieb sie noch vor Ende des Arbeitsverhältnisses wegen rezidivierender depressiver Störungen krank.

Es folgten eine stationäre Heilbehandlung und weitere Krankschreibungen, zuletzt vom 16. Dezember 2008. Auf dem sogenannten Auszahlschein für das Krankengeld hatte der Arzt keinen Termin für den nächsten Praxisbesuch eingetragen. Die Krankenkasse bewilligte und zahlte Krankengeld bis zum 31. Dezember 2008.

Durchgehende Arbeitsunfähigkeit

Wie nun das Landessozialgericht entschied, ist ein Auszahlschein, in dem weder ein Ende der Arbeitsunfähigkeit noch ein neuer Praxistermin eingetragen ist, als Krankschreibung "auf nicht absehbare Zeit" oder "bis auf Weiteres" zu werten.

Weiter entschied das LSG, dass eine Krankschreibung "bis auf Weiteres" auch in einen neuen Bewilligungsabschnitt hineinreichen kann. Daher sei es nicht zwingend erforderlich, dass der Arzt noch vor Ende des Bewilligungsabschnitts eine neue Bescheinigung ausstellt.

Im Streitfall hatte der behandelnde Arzt erst Anfang Januar 2009 erneut das Andauern der depressiven Störungen bescheinigt. Nach dem Stuttgarter Urteil reichte dies aus, weil die vorausgehende Bescheinigung "bis auf Weiteres" galt.

Wichtig ist in solchen Fällen, dass fortlaufende Krankschreibungen sich auch immer auf dieselbe Diagnose beziehen. Im Streitfall hatte die Bürokauffrau zwischenzeitlich noch ein Attest wegen Rückenbeschwerden vorgelegt.

Die Krankenkasse wollte auch dies zum Anlass nehmen, die Krankengeldzahlung zu beenden. Sie verwies auf eine erneute Stellungnahme des Medizinischen Dienstes. Der bescheinigte der Bürokauffrau, eine eingeschränkte, ihrem Berufsbild jedoch entsprechende Tätigkeit trotz besagter Wirbelsäulenprobleme ausüben zu können.

Das Landessozialgericht betonte dagegen, dass eine neue Krankheit auch zu einer bereits bestehenden Erkrankung hinzutreten kann. Von den Rückenbeschwerden könne die Krankenkasse daher nicht zugleich auf ein Ende der depressiven Störungen schließen. Diese seien aber durchgehend bescheinigt worden.

Urteil des Landessozialgerichts Baden- Württemberg, Az.: L 11 KR 4174/12

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Kommentare
Dr. Richard Barabasch 12.06.201412:58 Uhr

mal schau''n, ob die Baiern-AOK das akzeptiert

Nachdem durch ein Interview mit mir in einem SWR-Film-Beitrag diese Thematik ja bundesweit inzwischen auf fast allen Kanälen gelaufen ist und das Bundessozialgericht den NON-SENS der zwingenden/zwanghaften Vor-Terminablauf-Bescheinigung der AU durch einen Krankenkassenpflichtversicherte betreuenden Vertragsarzt dieser Tage bestätigt hat (für als "arbeitssuchend" gemeldete Personen), kommt mir diese LSG-Entscheidung aus Stuttgart wie der Deus-ex-machina vor. Indes: ich wurde (auch dieser Tage) von einer kK-Mitarbeiterin der AOK hier angeraunzt ("Sie müssen ein Datum eintragen"), weil ich kein Datum auf dem Auszahlschein vermerkt hatte, denn sie müsse ein Datum in ihren PC eingeben und das könne sie nicht, wenn ich keines angäbe. Ich habe ihr dann eindeutig gesagt, dass ich kein Datum angeben werde, weil ich nicht in die Zukunft zu schauen in der Lage bin und ich - siehe TV-Interview - ja gebranntes Kind sei mit solchen Datumsangaben, die die AOK flugs zum Nachteil des Erkrankten ausleg(t)e und die Krankengeldzahlung einstell(t)e einschließlich sogar Kündigung des Krankheitsschutzes von einem Tag auf den anderen.
Ich freue mich nun riesig - so ehrlich bin ich - mit Hinweis auf das Urteil des LSG-Stuttgart in allen meinerseits vor mir selber begründbarer Fälle "bis auf weiteres" einzutragen und diesen Punktsieg gegen eine unse(e)lige Bürokratie einzufahren.

Richard Barabasch

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