SMS vom Chef
Notfallsanitäter muss Dienstplanänderung in seiner Freizeit nicht prüfen
Feierabend ist Feierabend: Arbeitnehmer müssen sich nur während ihrer Arbeitszeit darüber informieren, wann sie möglicherweise für Kollegen einzuspringen haben. Das hat ein Landesarbeitsgericht im Fall eines Notfallsanitäters entschieden.
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Nach Feierabend ist ein Arbeitnehmer nicht mehr verpflichtet, sich über kurzfristige Änderungen seines Dienstplans zu informieren.
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Kiel. Ein Arbeitnehmer muss sich in seiner Freizeit nicht über Änderung seines Dienstplanes schlaumachen. Weder muss er einen Telefonanruf seines Arbeitgebers annehmen noch eine SMS lesen, entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein einem kürzlich veröffentlichten Urteil.
Im konkreten Fall ging es um einen angestellten Notfallsanitäter, bei dem die wöchentliche Arbeitszeit inklusive Bereitschaftsdienstzeiten 48 Stunden betrug. In einer Betriebsvereinbarung wurde festgelegt, dass die Notfallsanitäter auch zu Springerdiensten verpflichtet werden können, etwa bei kurzfristiger Erkrankung eines Kollegen.
Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer am Vortag bis spätestens 20:00 Uhr darüber informieren, dass er als Springer tätig sein soll. Mitarbeiter hatten die Möglichkeit, im Internet den aktuellen Dienstplan einzusehen.
Arbeitnehmer abgemahnt
Der Kläger sollte jeweils einen Tag im April und September 2021 kurzfristig als Springer eingesetzt werden. Der Arbeitgeber trug dies kurzfristig in den Dienstplan ein und versuchte, den Mann am Vorabend während seiner Freizeit zu erreichen. Doch der Notfallsanitäter nahm Anrufe nicht an und reagierte auch nicht auf eine SMS. Erst am jeweils nachfolgenden Morgen zeigte er zum regulären Dienstbeginn um 7:30 Uhr seine Arbeitsbereitschaft an.
Einmal wurde er dann nicht mehr eingesetzt, was der Arbeitgeber als unentschuldigten Fehltag wertete. Das andere Mal arbeitete er ab 8:26 Uhr, die Zeit davor galt ebenfalls als unentschuldigt. Entsprechend erhielt er für diese Zeiten keinen Lohn, zudem erhielt er eine Abmahnung.
Mit seiner Klage verlangte der Notfallsanitäter die Nachzahlung des vorenthaltenen Lohns und die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Er sei nicht dazu verpflichtet, sich während seiner Freizeit zu informieren, wann er zu arbeiten habe. Sein Handy habe er lautlos gestellt, um sich seinen Kindern widmen zu können. Er habe die SMS auch nicht gelesen, da sein Handy SMS von einer unbekannten Nummer in einen separaten Ordner verschiebe.
Das LAG gab dem Notfallsanitäter in allen Punkten recht. Zwar übe ein Arbeitgeber mit einer Änderung des Dienstplans sein Direktionsrecht zulässig aus. Die Änderung müsse dem Mitarbeiter aber auch zugehen. Dies habe der Arbeitgeber hier nicht nachgewiesen.
Persönlichkeitsrecht geht vor
Ein Arbeitnehmer müsse während seiner Freizeit nicht erreichbar sein und sei auch nicht verpflichtet, Änderungen des Dienstplans zu prüfen. Selbst über seine Freizeit entscheiden zu können, gehöre zu den „vornehmsten Persönlichkeitsrechten“, so das LAG.
Bei dem Lesen einer dienstlichen SMS oder dem Lesen des Dienstplans im Internet handele es sich um eine „Arbeitsleistung“, zu der der Kläger in seiner Freizeit nicht verpflichtet sei. Nehme er eine Änderung des Dienstplanes während der Freizeit nicht zur Kenntnis, gehe ihm diese formal erst beim nächsten Dienstbeginn zu.
Da der Notfallsanitäter dann seine Arbeitsleistung angeboten hatte, sei der Arbeitgeber zur Lohnzahlung verpflichtet. Die Abmahnung müsse aus der Personalakte entfernt werden. (fl/mwo)
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Az.: 1 Sa 39 öD/22