Berechnungen

PKV: Pflegereform kostet Steuerzahler hunderte Milliarden

Die Pflegereform sei nicht übers Knie zu brechen, fordert die PKV. Die Branche erhofft sich auch geeignete Rahmenbedingungen für neue private Pflegepolicen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Nach Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) könnte die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geplante Reform die Steuerzahler bis 2030 insgesamt knapp 109 Milliarden Euro kosten.

Nach Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) könnte die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geplante Reform die Steuerzahler bis 2030 insgesamt knapp 109 Milliarden Euro kosten.

© Tatjana Balzer / stock.adobe.com

Köln. Die privaten Krankenversicherer plädieren dafür, die geplante Pflegereform in die nächste Legislaturperiode zu verschieben. Das würde eine dem Thema angemessene breite Debatte ermöglichen, sagte PKV-Verbandsdirektor Dr. Florian Reuther bei einer Pressekonferenz. „Wir stehen vor einer grundlegenden Weichenstellung, die uns noch viele Jahre weiterbeschäftigen wird.“ Da sollte nichts übers Knie gebrochen werden.

Beim Thema künftige Finanzierung der Pflege fordert Reuther einen ähnlich breiten Konsens wie bei der Rente. Die jetzige Legislaturperiode sei fast vorbei, zudem seien die Kräfte zurzeit vor allem auf die Bewältigung der Pandemie ausgerichtet.

Zudem sollten Politiker über die Reform mitentscheiden, die sich in den kommenden Jahren mit deren Folgen auseinandersetzen müssen, findet Reuther. „Man muss den Politikern von morgen die Chance geben, selbst mitzuentscheiden über die Belastungen.“

Paradigmenwechsel zur Vollkasko?

Nach Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) könnte die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geplante Reform die Steuerzahler bis 2030 insgesamt knapp 109 Milliarden Euro kosten. Das liegt zum einen an den mit der demografischen Entwicklung verbundenen Mehrkosten, zum anderen an der Ausweitung des Leistungsversprechens, erläuterte WIP-Leiter Dr. Frank Wild. Für die Berechnungen habe das WIP einen konservativen Ansatz gewählt. „Das Ganze ist eher als Untergrenze zu verstehen.“

Wild warnt vor der großen Belastung künftiger Generationen. „Leistungsausweitungen, die durchaus sinnvoll sein können, sollten nicht im Umlageverfahren erfolgen, sondern über kapitalgedeckte Lösungen.“ Er nannte Pflegezusatzversicherungen oder die betriebliche Pflege-Vorsorge.

Mit der geplanten Reform ist nach Einschätzung von Verbandsdirektor Reuther ein doppelter Paradigmenwechsel verbunden. Erstmals würde es zumindest in einem Teil der gesetzlichen Pflegeversicherung die Hinwendung vom Teilkasko- zum Vollkasko-Prinzip geben.

Er verwies auf die Deckelung der Kosten für die pflegerische Versorgung in Heimen auf 700 Euro und die Tatsache, dass dieser Kostenblock nach drei Jahren komplett von der sozialen Pflegeversicherung übernommen werden soll. „Mit dem Paradigmenwechsel in Richtung Vollversicherung in ein klares Signal gegen mehr Eigenvorsorge verbunden.“

Der zweite Paradigmenwechsel ist für ihn die Stärkung der Steuerfinanzierung zu Lasten der Beitragsfinanzierung. Künftig könnten Finanz- und Hauspolitiker bei der Ausgestaltung der Leistungen in der Pflegeversicherung mitreden. Hinzu komme die Belastung der Steuerzahler. Reuther: „Das ist schon der Grundstein für die Steuererhöhung von morgen.“

PKV-Branche favorisiert naturgemäß Eigenvorsorge

Der PKV-Direktor begrüßte, dass die Eckpunkte der Reform auch eine Stärkung der Eigenvorsorge vorsehen. Das müsse aber noch mit konkreten Maßnahmen hinterlegt werden.

Das Beispiel der geförderten Pflegezusatzversicherung, der sogenannte Pflege-Bahr, zeigt für ihn, dass mit staatlichen Anreizen die private Vorsorge vorangetrieben werden kann. Großes Potenzial sieht er auch in der betrieblichen Pflegeversicherung nach dem Vorbild von CareFlex Chemie, einer zwischen den Tarifparteien in der Chemieindustrie vereinbarte arbeitgeberfinanzierte Pflegezusatzversicherung für Beschäftigte.

Reuther räumte ein, dass die PKV auch neue Produkte entwickeln müsse, um Kunden für private Zusatzpolicen zu gewinnen. Darüber spreche die Branche bereits mit dem Bundesgesundheitsministerium. „Wir brauchen die Rahmenbedingungen, damit wir bedarfsgerechte Produkte anbieten können.“ Und das hänge eben vor allem von der Diskussion über die Pflegereform ab.

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