Kein Freibrief
Portalbetreiber haftet bei negativem Arztvotum
Ändert ein Arztbewertungsportal eigenmächtig Bewertungen von Nutzern, haftet der Betreiber für den Inhalt, urteilte nun der Bundesgerichtshof.
Veröffentlicht:KARLSRUHE. Ändert der Betreiber eines Bewertungsportals auf eine Beschwerde hin die betreffende Bewertung eigenmächtig und lehnt weitere Änderungen aber ab, dann macht er sich die Äußerungen selbst zu eigen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zu einem Klinik-Bewertungsportal entschieden. Danach haftet der Portalbetreiber dann selbst als sogenannter Störer und kann unmittelbar auf Unterlassung verklagt werden (wir berichteten kurz).
Im konkreten Fall geht es um eine Klinik für HNO- und Laserchirurgie in Frankfurt am Main. Ein Patient war dort an der Nasenscheidewand operiert worden und wurde dann in eine andere Klinik verlegt. Auf einem Bewertungsportal für Kliniken stellte der Patient 36 Stunden nach seiner Operation einen Erfahrungsbericht über die Frankfurter Klinik ein. Darin behauptete er, "bei" dem Standardeingriff sei es zu septischen Komplikationen gekommen. Das Klinikpersonal sei mit der "lebensbedrohlichen Notfallsituation" überfordert gewesen, was beinahe zu seinem Tod geführt habe.
Klinik: Falsche medizinische Tatsachen
Die Klinik beschwerte sich bei dem Bewertungsportal: Der Bericht gehe von falschen medizinischen Tatsachen aus. Daraufhin änderte das Bewertungsportal den Erfahrungsbericht eigenmächtig, ohne hierüber mit dem Patienten Rücksprache zu halten. An einer Stelle wurde ein Satzteil gestrichen, an anderer eine Ergänzung eingefügt. Der Klinik teilte der Portalbetreiber dies mit und erklärte, "weitere Eingriffe" seien nicht angezeigt. Die Klinik war damit jedoch noch nicht einverstanden und klagte auf Unterlassung. Wie schon vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte die Klinik damit nun auch vor dem BGH Erfolg.
Der BGH stellte zunächst fest, dass der Betreiber des Bewertungsportals der richtige Beklagte ist. Er "hat sich die angegriffenen Äußerungen zu eigen gemacht, sodass er als unmittelbarer Störer haftet". So habe er die Äußerungen des Patienten inhaltlich überprüft und ohne Rücksprache selbstständig geändert. Dabei habe er auch selbst entschieden, welche Äußerungen beibehalten werden sollen. Dies habe er der Klinik dann auch so mitgeteilt.
"Bei der gebotenen objektiven Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände hat der Beklagte (Portalbetreiber) somit die inhaltliche Verantwortung für die angegriffenen Äußerungen übernommen", erklärten die Karlsruher Richter. Als Konsequenz ist damit der Patient bei der Frage nach Haftung und Unterlassung außen vor.
Inhaltlich gehe es hier "um unwahre Tatsachenbehauptungen und um Meinungsäußerungen auf unwahrer Tatsachengrundlage und mit unwahrem Tatsachenkern". Das Recht auf Meinungsfreiheit müsse daher hinter den Rechten der Klinik zurücktreten. Daher gab in oberster Instanz auch der BGH der Unterlassungsklage statt. Ob und inwieweit der Portalbetreiber auch haften müsste, wenn die Klinik Einnahmeverluste durch die betreffenden Äußerungen nachweisen kann, hatte der BGH nicht zu entscheiden.
Keine grundsätzliche Haftung
Zunächst haften die Betreiber von Bewertungsportalen allerdings grundsätzlich nicht für die Äußerungen ihrer Nutzer. Auch müssen sie, wie berichtet, die Namen der Nutzer nicht Preis geben, so der BGH 2016 in einem Urteil zum Arzt-Bewertungsportal Jameda (Az.: VI ZR 34/15). Beschwerden betroffener Ärzte muss das Portal danach allerdings nachgehen; gegebenenfalls muss es von dem Nutzer auch Belege verlangen, dass er tatsächlich in der betreffenden Praxis in Behandlung war.
Bundesgerichthof; Az.: VI ZR 123/16