Arzthaftung
Schmerzensgeld bei defizitärer Untersuchung
KÖLN. Ein Hausarzt muss Schmerzensgeld zahlen, wenn er wegen einer unzureichenden Untersuchung einen periproktitischen Abszess nicht erkennt und der Patient deshalb notfallmäßig operiert werden muss.
Das hat das Oberlandesgericht Hamm (OLG) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Eine Patientin war im konkreten Fall wegen Beschwerden im Rücken-/Gesäßbereich zur Vertreterin ihrer Hausärztin gegangen. Die Ärztin diagnostizierte Ischiasbeschwerden, verabreichte eine Spritze und verordnete Schmerzmittel.
Drei Tage später wurde bei der Frau eine Entzündung des perirektalen und perianalen Fettgewebes unter Einbeziehung der Muskulatur entdeckt. Sie wurde wegen des Verdachts einer nekrotisierenden Faszitis operiert, wobei ein Teil des Schließmuskels entfernt wurde.
Die Frau verklagte die Hausärztin auf Schmerzensgeld und Schadenersatz und bekam sowohl vor dem Landgericht als auch dem OLG Recht. Das OLG sprach ihr ein Schmerzensgeld von 22.000 Euro zu.
Das Gericht stützte sich auf die Einschätzung eines Sachverständigen, dass bei Kreuzschmerzen auch solche Symptome abgeklärt werden müssen, die auf anderweitige Erkrankungen mit dringendem Handlungsbedarf hinweisen, die "red flags".
Die Untersuchung hätte eine palpatorische Prüfung der Analregion umfassen müssen, so die Richter. Dem Argument der Hausärztin, das hätte ohnehin ein Proktologe machen müssen, folgten sie nicht.
"Ohne ausreichende Differenzialdiagnose war die Möglichkeit von Erkrankungen mit schwerwiegenden Folgen nicht ausgeschlossen", heißt es im Urteil.
Da die unterlassene Befunderhebung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt hätte, kam es zu einer Beweislastumkehr.
Das OLG ging zugunsten der Patientin davon aus, dass die unumgängliche Operation weniger schwerwiegend ausgefallen wäre, wenn sie drei Tage früher erfolgt wäre. (iss)
OLG Hamm Az.: 26 U 173/13