Korruption

Schwarz-Gelb droht Ärzten und Co. mit dem Knast

Das BGH-Urteil zur Amtsträgerschaft von Ärzten hat jetzt Konsequenzen - und zwar für alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen: Wer schmiert oder sich schmieren lässt, dem sollen künftig bis zu drei Jahre Haft drohen.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Ein Knast für Gesundheitsberufe.

Ein Knast für Gesundheitsberufe.

© jtanki / fotolia.com

BERLIN. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat es eilig: Noch in dieser Legislaturperiode soll ein Straftatbestand zur Bestechung und Bestechlichkeit von Leistungserbringern im Gesundheitswesen ins Sozialgesetzbuch V aufgenommen werden. Aus der Ärzteschaft kam weitgehende Zustimmung.

Ein entsprechender Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen wurde am Mittwoch bekannt. Schwarz-Gelb reagiert damit auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofes vom vorigen Jahr.

Der hatte geurteilt, dass Ärzte keine Beauftragten der Krankenkassen seien und daher die einschlägigen Korruptionsdelikte des Strafgesetzbuches auf sie nicht anwendbar seien.

Anders als das BGH-Urteil stellt die jetzt geplante Gesetzesänderung nicht exklusiv auf Ärzte ab, sondern auf sämtliche Berufsgruppen im Gesundheitswesen, die an der Versorgung beteiligt sind.

Vorschrift auch für Angestellte und Beauftragte

Wörtlich soll es im Paragraf 70 SGB V künftig heißen: "Leistungserbringer und ihre Angestellten oder Beauftragten dürfen keine Entgelte oder sonstigen wirtschaftlichen [sic!] Vorteile für sich oder Dritte als Gegenleistung dafür fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, dass sie andere Leistungserbringer oder Dritte bei der Verordnung von Leistungen, der Zuweisung an Leistungserbringer, der Abgabe von Mitteln oder der sonstigen Veranlassung von Leistungen für die Untersuchung oder Behandlung von Versicherten (...) begünstigen oder bevorzugen".

In der Begründung zu dem Entwurf wird konkretisiert, dass auch angestellte Ärzte, Honorarärzte, Pflegekräfte im Rahmen delegierter Leistungen, Apotheker sowie Angehörige der Gesundheitsfachberufe und des Heilgewerbes angesprochen seien.

Zur Bestimmung dessen, was unter "sonstigen wirtschaftlichen Vorteilen" alles zu verstehen sei, wird auf Paragraf 128 SGB V verwiesen.

Dort ist im Kontext der unzulässigen Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und Hilfsmittel-Anbietern die Rede von verbilligter Überlassung von Geräten und Materialien, von Schulungsmaßnahmen oder der "Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal" und der Beteiligung an den Kosten hierfür.

Tatverfolgung auf Antrag

In einem neuen § 307c SGB V sollen die Strafen geregelt werden - und wer eine Tatverfolgung beantragen kann. Analog zu den einschlägigen Vorschriften des Strafgesetzbuches sind für Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung großen Ausmaßes Geld- und Haftstrafen - bis zu drei Jahre - vorgesehen.

Bis zu fünf Jahre Haft drohen bei gewerbsmäßiger Bestechung oder Bestechlichkeit.

Im Regelfall sollen verdächtige Taten zwar nur auf Antrag verfolgt werden. Doch dieser Passus hat es in sich: Antragsberechtigt sind nämlich nicht nur die betroffenen Versicherten, Mitbewerber, Krankenkassen, KVen und Kammern.

Vielmehr können auch Industrie-, Handwerks- und Handelskammern sowie Branchen- und Berufsverbände - also die berüchtigt agilen "Abmahnvereine" - tätig werden.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr bekräftigte am Mittwoch in Berlin, dass Ärzte keine Beauftragten der Krankenkassen sind. Das habe der Bundesgerichtshof "zu Recht festgestellt".

Dennoch seien "gesetzgeberische Maßnahmen" gegen Bestechung und Bestechlichkeit notwendig. Bahr betonte, die Ärzte "nicht unter Generalverdacht" stellen zu wollen.

Jedoch "sollten Einzelfälle von Korruption verfolgt werden können. Entscheidend sei, so der Minister, "dass die Staatsanwaltschaft ermitteln kann".

Die geplante Änderung des SGB V liegt derzeit als Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zum "3. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften" vor.

Hoffnung auf Ende der Diffamierung

Bereits kurz nach Bekanntwerden hat der Textentwurf Reaktionen sowohl von Kassenseite als auch der Ärzteschaft ausgelöst. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Köhler, begrüßte den Entwurf als "Schritt in die richtige Richtung".

Entscheidend sei, so Köhler, "dass das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis geschützt bleibt". Darüber hinaus sei es wichtig, dass Ärzte auch weiterhin nicht als Amtsträger der Krankenkassen gelten.

Bundesärztekammerpräsident Professor Frank Ulrich Montgomery betonte die berufsgruppen-übergreifende Geltung des geplanten Gesetzesvorhabens. "Mit einer ´Lex Specialis´ allein gegen Ärzte hätte man alle anderen Beteiligten aus ihrer Verantwortung entlassen.

Mit der geplanten Neuregelung können nun endlich auch die Geldgeber der Korruption zur Verantwortung gezogen werden", so Montgomery. Man hoffe, dass mit der Gesetzesinitiative nun "mehr Rechtsklarheit geschaffen und den Krankenkassen der Nährboden für ihre fortgesetzten Diffamierungskampagnen gegen die Ärzte entzogen wird".

Für den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen erklärte dessen Vorstand Gernot Kiefer: "Klare gesetzliche Regelungen gegen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen schützen die ehrlichen niedergelassenen Ärzte und die anderen Leistungserbringer im Gesundheitswesen vor falschen Verdächtigungen. Und es ist die ganz überwiegende Mehrheit, die ehrlich ihre Arbeit macht. Aber leider gibt es auch solche, die die Hand aufhalten".

Kiefer äußerte gleichzeitig die Besorgnis, als strafwürdiges korruptives Verhalten könnten künftig nur besonders schwere Verstöße gegen das Zuwendungsverbot erfasst werden.Forderung nach klaren Grenzen

Diese Befürchtung werde durch einige Passagen der Gesetzesbegründung genährt. Der Verbandsvorstand forderte, der Gesetzgeber müsse jetzt "klare und unmissverständliche Grenzen" vorgeben.

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Kommentare
Almut Rosebrock 08.04.201309:42 Uhr

"Undurchsichtige Rabattverträge"

Aber die ganze Mauschelei und Verhandelei der kranken Kassen mit den Pharmafirmen um die höchsten "Rabatte" ist ja völlig einwandfrei - vor allem, da sie so "transparent" abläuft (niemand erfährt die Höhe der gebotenen Rabatte! Nur der Billigste bekommt den Zuschlag.)
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Qualität?

Tatsache ist: Die tatsächlichen Leistungserbringer im Gesundheitswesen werden immer stärker "gedeckelt" und wirtschaftlich unter Druck gesetzt - so dass vermehrt das Risiko besteht, dass eher das getan wird, was mehr Geld bringt, als das, was notwendig wäre. Welcher andere Berufsstand wird so massiv unter Druck gesetzt wie die Berufe des Gesundheitswesens?
Die Motivation und der Idealismus, mit der man mal in den Beruf gestartet ist, werden dabei auf eine harte Probe gestellt.



Christina Manthey 04.04.201313:25 Uhr

Ba(h)r jeder Systemkenntnis

Mit § 307 c SGB V einen Straftatbestand für Bestechung oder Bestechlichkeit in das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuchs einfügen zu wollen, kann nur unterstützen, wer das System des Sozialgesetzbuchs nicht verstanden hat. Das Sozialrecht gliedert sich in die Sozialversicherung (Vorsorge für bestimmte Risiken wie Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Arbeitsunfall, Invalidität oder Alter), die soziale Entschädigung (hervorgegangen aus der Kriegsopferversorgung), die Sozialförderung (zur Verwirklichung der Chancengleichheit) und die Fürsorge (Sozialhilfe). Die Organisation der Leistungserbringung bei Krankheit ist Teil der sozialen Sicherheit und muss im SGB V geregelt werden. Die Strafbarkeit der Handlung eines Leistungserbringers hat jedoch mit dem Sozialrecht nichts mehr zu tun. Sie verhindert oder beseitigt nicht eine Bedarfssituation des Versicherten, sondern sichert vor allem das Gewaltmonopol des Staates und die damit verbundene Befugnis, bei unrechtem Verhalten mit staatlichem Zwang und Strafübel zu reagieren. Damit ist sie ein Fremdkörper im Sozialgesetzbuch.

Ärztliche Leistungserbringer sind keineswegs die einzigen Protagonisten im SGB V, die mit dem staatlichen Strafrecht in Berührung kommen können. Doch auch für andere Beteiligte enthält nicht das SGB V, sondern das StGB die maßgeblichen Strafvorschriften. Ein Versicherter, der gegenüber seiner Krankenkasse falsche Angaben macht und sich dadurch Leistungen erschleicht, wird nach § 263 StGB bestraft. Ein Arbeitgeber, der der Krankenkasse für einen Arbeitnehmer Beiträge vorenthält, wird nach § 266 a StGB bestraft. Und alle Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und Angehörigen anderer Heilberufe werden nach § 203 StGB bestraft, wenn sie unbefugt ein ihnen anvertrautes Patientengeheimnis offenbaren. Warum sollte für Bestechung oder Bestechlichkeit bei Vertragsärzten ein Bruch erforderlich sein?

Vom Systembruch abgesehen, warten die Versicherten unverändert darauf, dass sich das BMG zuvörderst mit der Unterlassenen Hilfeleistung der gesetzlichen Krankenkassen näher beschäftigen möge. Soll diese auch mit einem eigenen Straftatbestand Eingang in das SGB V finden? Die jetzige Regelung in § 323c StGB führt in der Praxis nicht zu Ermittlungen. Oder ist es keine Sache des staatlichen Gewaltmonopols, wenn ein zur Sicherung der Krankenbehandlung nach § 33 SGB V erforderliches Hilfsmittel solange nicht bewilligt wird, bis der schwerbehinderte oder chronisch kranke Patient endlich seinem Leiden erlegen ist und das Hilfsmittel nicht mehr benötigt? Die bisherigen Bemühungen des BMG zur Neuregelung (Frist für Entscheidung mit Möglichkeit der Selbstbeschaffung, § 13 Abs. 3 a SGB V, in Kraft seit dem 26.02.2013) beschränkten sich leider auf Versicherte mit ausreichendem Einkommen oder Vermögen, für die die Vorleistung kein finanzielles Problem bedeutet. Dem bedürftigen Patienten unverzüglich Hilfe zu leisten wäre der mit dem Antrag befassten Krankenkasse ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich. Wo bleibt der Staatsanwalt?

Noch erscheint der Bundesgesundheitsminister als Getriebener des AOK-Bundesverbands, der - natürlich - die Einführung eines § 307 c SGB V begrüßt und sich noch lautstark darum sorgt, dass nur schwere Fälle bestraft werden könnten. Aber vielleicht wird die Vorschrift auch zum Einfallstor für weitere Straftatbestände bei der Organisation der Leistungserbringung nach dem SGB V? Der AOK-Bundesverband sollte sich nicht zu früh freuen. Auch die Versicherten könnten den Bundesgesundheitsminister demnächst antreiben - zu mehr sozialer Sicherheit als Schutz vor Lebensrisiken und mit der Gefahr der Strafverfolgung für die zuständigen Sachbearbeiter der örtlichen AOK!

Christina Manthey, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Sozialrecht und Medizinrecht

Dr. Thomas Georg Schätzler 03.04.201320:41 Uhr

Mutiert die FDP populistisch zur "Ärztehasser-Partei"?

Ausgerechnet FDP-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr bläst vor der Bundestagswahl 2013 zur großen Hatz auf GKV-Vertrags-Ärztinnen und -Ärzte bzw. sämtliche Berufsgruppen im Gesundheitswesen? Wie verzweifelt populistisch ist das denn?

Aber erst mal langsam mit den jungen Pferden. Denn dies ist ja eine dilettantische Steilvorlage für die juristisch versierte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):

1. Betrifft das Sozialgesetzbuch im neuformulierten Paragraf 70 SGB V bzw. Paragraf 128 SGB V nur und ausschließlich GKV-Vertragspartner; übrigens auch Kassenfunktionäre und -Mitarbeiter.
2. Damit bleiben privatärztliche Tätigkeiten bzw. PKV-Mitarbeiter sowie deren Vertragspartner außen vor, denn für sie gilt das SGB V n i c h t.
3. In einem neuen § 307c SGB V können gar keine Geld- und Haftstrafen - bis zu drei Jahre - geregelt werden, denn das kann im Sinne der Gewaltenteilung nur im Strafgesetzbuch (StGB) neu und ohne Ansehen der Person für alle verbindlich geschehen.
4. "Gesetzgeberische Maßnahmen" gegen Bestechung und Bestechlichkeit ausschließlich als ''Lex Gesundheitswesen'' formulieren zu wollen, verstößt verfassungswidrig gegen den Gleichheitsgrundsatz ("Vor dem Gesetz sind Alle gleich").
5. Bis zu fünf Jahre Haft bei gewerbsmäßiger Bestechung oder Bestechlichkeit im SGB V fordern zu wollen und g l e i c h z e i t i g nicht nur Versicherte, Mitbewerber, Krankenkassen, KVen und Kammern, sondern auch Industrie-, Handwerks-, Handelskammern oder Branchen-, Berufsverbände und "Abmahnvereine" als Antragsgegner von Ärzten zuzulassen, öffnet Willkür und Verhetzung Tür und Tor.

Nein, es geht hier eindeutig n i c h t darum, die Schafe vor den Wölfen zu beschützen! Oder wie der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (SpiBu) scheinheilig erklärt: "Klare gesetzliche Regelungen gegen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen schützen die ehrlichen niedergelassenen Ärzte und die anderen Leistungserbringer im Gesundheitswesen vor falschen Verdächtigungen. Und es ist die ganz überwiegende Mehrheit, die ehrlich ihre Arbeit macht..." Das sagt deren Vorstand Gernot Kiefer doch nur, um von den Perspektiven seiner zusätzlichen Machtfülle abzulenken. D a m i t sollen die Vertrags-Ärztinnen und -Ärzte noch effektiver zu willfährigen und billigen Erfüllungsgehilfen der "Kranken"-Kassen gemacht werden.

Es läuft alles auf einen "Kurzen Prozess mit Kassenärzten" hinaus, wenn wir nicht gegen diese Herabsetzung unserer Arbeit und Entwürdigung unserer Lebensleistungen angehen - schwarze Schafe natürlich ausgenommen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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