Abrechnung
Viele Hausärzte verschenken Gespräche
Haben Hausärzte keine Zeit mehr für ausführliche Gespräche mit Patienten - oder wird oft schlichtweg vergessen, die Gesprächsleistung abzurechnen? Die erste Abrechnung unter dem neuen EBM zeigt, dass die Leistung seltener angesetzt wird als möglich.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Die Abrechnungsbescheide für das 4. Quartal 2013 liegen in den meisten Praxen vor. Bei Hausärzten kristallisiert sich zunehmend heraus, dass in vielen KVen das Budget für das problemorientierte hausärztliche Gespräch (EBM-Nr. 03230, 90 Punkte) nicht ausgeschöpft worden ist.
Das hat das Beratungsunternehmen HCC Better Care in Köln aufgrund von Abrechnungsbescheiden und Fachgruppendurchschnitten aus mehreren KVen abgeleitet - dabei gab es leichte Abweichungen bei den Trends zwischen Allgemeinärzten und hausärztlichen Internisten.
"In einigen KVen ist nicht einmal in 40 Prozent der Fälle ein hausärztliches Gespräch abgerechnet worden", so Thomas Feldmann von HCC Better Care im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
In der KV Nordrhein seien es rund 33 Prozent, in Rheinland-Pfalz 36 Prozent und im Saarland 43 Prozent der Fälle, in denen das Gespräch angesetzt worden ist. Der Wert in Baden-Württemberg fällt heraus, weil die KV bei jedem Fall das Gespräch automatisch zugesetzt hat.
Leistungsbedarf ist entscheidend
So steht es im EBM
Präambel von Kapitel 3, hausärztlicher Versorgungsbereich, Nr. 10: Für die Gebührenordnungsposition 03230 wird ein Punktzahlvolumen für die gemäß der Gebührenordnungsposition 03230 erbrachten und berechneten Gespräche gebildet. Das Punktzahlvolumen beträgt 45 Punkte multipliziert mit der Anzahl der Behandlungsfälle (...). Über das Punktzahlvolumen hinausgehende Gespräche gemäß der Gebührenordnungsposition 03230 werden nicht vergütet.
Zur Erinnerung: Aus Angst vor einer zu häufigen Abrechnung wurde im EBM festgelegt, dass das hausärztliche Gespräch auf 45 Punkte je Fall budgetiert wird. Das heißt, dass Ärzte im Durchschnitt bei jedem zweiten Fall ein Gespräch ansetzen können, um das Budget auszuschöpfen.
Empfohlen wurde Ärzten aber, das Gespräch - wenn häufiger erbracht - auf jeden Fall trotzdem abzurechnen, um den Leistungsbedarf zu dokumentieren.
Nun schöpfen die meisten Ärzte dieses Budget nicht einmal aus: "Die Ärzte verzichten auf Geld, wenn sie das Gespräch nicht abrechnen", erläutert Feldmann.
In Bayern liege der durchschnittliche Fallwert für die Gesprächsziffer etwa bei 3,50 Euro statt bei 4,50 Euro, die möglich wären. Drei bis vier Prozent der jeweiligen Fachgruppen hätten sogar überhaupt keine Gesprächsleistungen erbracht.
Auch auf die Geriatrieleistungen hat Feldmann einen genaueren Blick geworfen. In Bayern zum Beispiel hätten ca. 20 Prozent der Hausärzte den hausärztlich-geriatrischen Betreuungskomplex (EBM-Nr. 03362, 159 Punkte) gar nicht erbracht.
Über die KVen hinweg zeige sich, dass etwa in der Hälfte der Fälle mit Patienten über 75 Jahren (herauszufiltern über die EBM-Nr. 03005) auch geriatrische Leistungen erbracht würden.
Mehr Hochbetagte im Saarland
So seien in Bayern Patienten mit 75 Jahren oder älter für elf Prozent der hausärztlichen Fälle verantwortlich. In 5,8 Prozent sei die EBM-Nr. 03362 abgerechnet worden. Im Saarland liege der Anteil der hochbetagten Patienten (über 75 Jahre) bei 16 Prozent, der Betreuungskomplex sei in 7,7 Prozent der Fälle abgerechnet worden.
Aus einer Stichprobe unter Ärzten, die mit HCC Better Care zusammenarbeiten hat die Unternehmensberatung errechnet, dass sich der gesamte Fallwert für das vierte Quartal 2013 im Vergleich zum dritten Quartal - herausgerechnet die Influenzaimpfungen - in Nordrhein und Niedersachsen kaum bewegt hat, in Westfallen-Lippe leicht nach oben.
"In der breiten Masse gibt es eher Verlierer", schreibt Berater Heinz Welling in einem Brief an Ärzte.
Offen sei noch der Umgang mit den neuen Pauschalen für Chroniker. HCC Better Care empfiehlt den Ärzten, darauf zu achten, dass die nötigen Patientenkontakte in den Vorquartalen auch stattgefunden haben. Die KVen würden das möglicherweise nicht so genau prüfen, die Kassen dagegen sehr, so die Einschätzung.