Leibniz-Wirtschaftsgipfel
Wirtschaftsforscher: Staat in der Krise „nicht hinreichend handlungsfähig“
Führende Ökonomen sehen Deutschlands Weg aus der Wirtschaftskrise überwiegend pessimistisch. Das Hauptproblem: Defizite im Bildungssystem unter Corona.
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Einen kritischen Blick auf einen möglichen Post-Pandemie-Aufschwung haben auch Teilnehmer am Leibnitz-Wirtschaftsgipfel. (Symbolbild mit Fotomodell)
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Berlin. Die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten vom Mittwoch werden die Unsicherheit der Unternehmen nicht beseitigen. Diese Erwartung haben Ökonomen am Donnerstag beim Leibniz-Wirtschaftsgipfel geäußert. Das Risiko einer dritten Infektionswelle sei nicht gestoppt, mit dem daraus resultierenden möglichen Jojo-Effekt durch einen erneuten Lockdown könnten die Unternehmen allerdings am wenigsten gut leben, sagte Professor Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Die nach der ersten Pandemiewelle im Frühjahr 2020 einsetzende wirtschaftliche Erholung sei durch die zweite Welle ausgebremst worden, so Professor Christoph Schmidt vom RWI Essen. Sorge bereite vor allem die starke Heterogenität der Betroffenheit, insbesondere zu Lasten sozial schwacher Teile der Gesellschaft. Das berge die Gefahr sich verschärfender ideologischer Kämpfe.
Verkürzung der Schulferien angeregt
Am stärksten von der Pandemie betroffen, so Ifo-Chef Professor Clemens Fuest, sei der gesamte Bereich der Bildung und Ausbildung. Schon ein nur dreimonatiger Schulausfall führe zu einer massiven Verringerung des Lebensarbeitseinkommens, die die derzeit beobachteten Wertschöpfungsausfälle von rund drei Milliarden Euro pro Woche deutlich überschreitet.
Hinzu komme, dass Kinder aus bildungsfernen Schichten in besonderer Weise von Schulausfällen betroffen seien. Es müsse ernsthaft überlegt werden, diese Ausfälle wenigsten teilweise durch künftige Verkürzung der Schulferien zu kompensieren.
Das Ausmaß der Erholung nach der Krise sei abhängig vom potenziellen Produktivitätswachstum, so die Ökonomen. Dies sei schon vor der Pandemie schwach gewesen. Wesentliche Erfolgsfaktoren für steigende Produktivität seien Ausbildungsinvestitionen und Humankapital, Digitalisierung, erneuerbare Ressourcen und ein schlanker Staat. Angesichts der erheblichen Mängel beim Informations- und Datenmanagement habe sich der Staat in der Krise als „nicht hinreichend handlungsfähig“ erwiesen, kritisierte Fuest. (HL)