Herzbericht 2017

Weniger Kardiologen = mehr Herztote?

In Bundesländern mit weniger niedergelassenen Kardiologen sterben mehr Patienten an Herzerkrankungen, so der aktuelle Herzbericht. Spricht: Es gibt starke regionale Differenzen in der Versorgung. Kardiologen haben zwei Vermutungen, woher diese Unterschiede stammen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Im Norden und Osten sterben besonders viele Menschen an Herzerkrankungen. Eine Frage der Versorgungssituation oder Lebenswandel?

Im Norden und Osten sterben besonders viele Menschen an Herzerkrankungen. Eine Frage der Versorgungssituation oder Lebenswandel?

© mtu1969 / stock.adobe.com

BERLIN. Der Herzbericht 2017 wurde veröffentlicht. Neben allerlei Erkenntnisse zum Thema Kardiologie, fällt insbesondere ein Aspekt auf: Große regionale Unterschiede bei den Todesfällen.

Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen – das sind die vier Bundesländer, in denen besonders viele Menschen an Herzerkrankungen sterben. Auch in Niedersachsen gibt es überdurchschnittlich viele kardial bedingte Todesfälle.

Besonders gefährlich ist Sachsen-Anhalt: Hier lag im Jahr 2015 die Sterbeziffer im Zusammenhang mit Herzerkrankungen knapp 30 Prozent über dem Bundesdurchschnitt von 270 Todesfällen pro 100.000 Einwohner.

Berliner, Hamburger und Baden-Württemberger dagegen sind kardial weniger gefährdet: In Berlin liegt die "kardiologische" Sterbeziffer um ein Viertel unter dem Bundesdurchschnitt. In Baden-Württemberg sind es knapp elf Prozent.

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Woran liegt das? Sind die Kardiologen in Sachsen-Anhalt schlechter? Betreiben die Schwaben besonders viel Sport? Liegt es am Berlin-Marathon?

Eine Frage der Kodierung?

Mit der Interpretation regionaler Unterschiede in Deutschland tue man sich nach wie vor schwer, sagte Professor Thomas Meinertz, Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung, bei der Vorstellung des Deutschen Herzberichts 2017.

Ziemlich sicher sei, dass es nicht an unterschiedlicher Kodierung liege. Auch unterschiedliche Altersstrukturen können nicht der Grund sein, denn für den Bericht wurden die Zahlen erstmals altersstandardisiert.

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Professor Hugo Katus vom Universitätsklinikum Heidelberg, sieht in einer unterschiedlichen kardiologischen Versorgungsdichte einen wichtigen Grund für die Differenzen.

So seien Sachsen-Anhalt und Brandenburg die Länder mit den wenigsten niedergelassenen Kardiologen: Ein niedergelassener Kardiologe versorgt dort 27.000 bzw. 28.500 Einwohner. In Berlin sind es 21.000, in Hamburg nur 18.000.

Auch Qualitätsunterschiede in der Notfallversorgung könnten eine Rolle spielen. So gab es Stand Ende 2016 in Sachsen-Anhalt nur vier und in Thüringen nur drei von der DGK zertifizierte Chest Pain Units, also spezielle Notaufnahmen für Patienten mit akutem Brustschmerz. Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Berlin sind dagegen sehr gut mit Chest Pain Units ausgestattet.

Was sicher keinen großen Unterschied macht

Woran der Unterschied bei den Sterbeziffern definitiv nicht liegen kann, ist die reine Zahl der Linksherzkathetermessplätze. Davon gibt es nämlich in Sachsen-Anhalt, Thüringen und insbesondere auch Mecklenburg-Vorpommern deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt.

Auch mit unterschiedlichen Risikofaktorprofilen oder verschiedenen soziodemografischen Profilen könnten die unterschiedlichen Sterbeziffern zu tun haben. Dagegen spricht aber, dass keinesfalls alle strukturschwachen oder eher ländlich geprägten Regionen gleich abschneiden. Sachsen und Hessen zum Beispiel stehen recht gut da.

Meinertz brachte in Berlin noch den Informationsstand der Bevölkerung über kardiovaskuläre Erkrankungen und kardiovaskuläre Notfälle ins Spiel. So gebe es Daten der Herzstiftung, die zeigten, dass Menschen in Sachsen-Anhalt und Brandenburg deutlich schlechter über Herzerkrankungen informiert seien als in vielen alten Bundesländern, aber auch deutlich schlechter als etwa in Sachsen. (Mitarbeit: ajo)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 18.01.201812:10 Uhr

Danke für die Klarstellung an den kardiologischen Kollegen Philipp Grätzel von Grätz

Denn im Gegensatz zur tendenziösen Studie: "Mortality and Treatment Patterns Among Patients Hospitalized With Acute Cardiovascular Conditions During Dates of National Cardiology Meetings" von Anupam B. Jena et al.
https://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/fullarticle/2038979
welche bei Kongressabwesenheit der Kardiologie-Koryphäen bei bestimmten Herzerkrankungen eine geringere Mortalitäts-Last unterstellt
["Conclusions and Relevance - High-risk patients with heart failure and cardiac arrest hospitalized in teaching hospitals had lower 30-day mortality when admitted during dates of national cardiology meetings. High-risk patients with AMI admitted to teaching hospitals during meetings were less likely to receive PCI, without any mortality effect"], gibt es eine klare Beziehung zwischen kardiologischer Versorgungs-Intensität/-Qualität bzw. kardiologischer Morbiditäts- und Mortalitäts-Last.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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