Hochdruckliga
"SPRINT-Studie wird Leitlinien nicht ändern"
Sinken die Zielwerte für die Bluthochdrucktherapie in den Leitlinien als Folge der SPRINT-Studie? Die Deutsche Hochdruckliga schließt das für Deutschland jetzt aus. Es soll bei der Grenze von 140 / 90 mmHg bleiben. Österreich sieht das anders.
Veröffentlicht:BERLIN. "Die SPRINT-Studie wird keinen Einfluss auf die deutschen und auch nicht auf die europäischen Leitlinien haben", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Hochdruckliga (DHL®), Professor Martin Hausberg vom Städtischen Klinikum Karlsruhe.
Es bleibe beim bisherigen Zielblutdruck von unter 140/90 mmHg für die große Mehrheit der Hypertonie-Patienten. Allenfalls bei hohem kardiovaskulärem Risiko könne ein systolischer Druck von unter 130 mmHg erwogen werden. "Das ist aber nur eine schwache Empfehlung", so Hausberg anlässlich des DHL®-Kongresses.
Absenkung zeigt deutliche Wirkung
Die von den National Institutes of Health in den USA finanzierteSPRINT-Studie hatte im Jahr 2015 ergeben, dass Patienten von einer Absenkung des systolischen Zielblutdrucks auf 120 mmHg im Vergleich zum Leitlinienziel 140 mmHg im Hinblick auf kardiovaskuläre Ereignisse aller Art stark profitieren.
Die Patienten in der Gruppe mit strenger Blutdruckeinstellung hatten eine um 25 Prozent geringere Sterblichkeit und um 30 Prozent weniger Schlaganfälle, Herzinfarkte und andere Herz-Kreislauf-Ereignisse.
Eine Empfehlung für strengere Zielwerte könne aus diesen Daten aber nicht abgeleitet werden, so Hausberg. Die DHL® stört sich vor allem an dem Messverfahren, einer automatischen Oberarmmessung im Wartezimmer ohne Beobachtung durch Arzt oder Praxispersonal.
Diese Messmethodik sei mit anderen Studien nicht vergleichbar, so Hausberg. Sie führe im direkten Vergleich mit einer ebenfalls automatischen, aber beobachteten Messung zu Blutdrücken, die um 15/8 mmHg niedriger lägen.
Mit anderen Worten: Nach Auffassung der DHL® müssen zu den SPRINT-Blutdrücken jeweils 15/8 mmHg hinzuaddiert werden. Bei einem systolischen Mittelwert im Interventionsarm von 121 mmHg wäre das entsprechend ein Werte von 136 mmHg, was dem derzeitigen Leitlinienziel entspräche.
Leitlinienänderung nicht nötig
Eine Änderung der Leitlinien sei daher nicht erforderlich, so die DHL®.
Die SPRINT-Studie steht allerdings nicht ganz allein auf weiter Flur. So wurden im Gefolge dieser Studie mehrere Metaanalysen durchgeführt, die größte davon umfasste über 600.000 Patienten aus 123 randomisierten Studien.
In diesem breiten Kollektiv führte eine Absenkung des systolischen Blutdrucks um 10 mmHg zu einer jeweils statistisch signifikanten Verringerung des Risikos schwerer kardiovaskulärer Ereignisse um 20 Prozent, einer Verringerung der Gesamtsterblichkeit um 13 Prozent, einer Verringerung des Risikos für eine KHK um 17 Prozent, einer Verringerung des Schlaganfallrisikos um 27 Prozent und einer Verringerung des Herzinsuffizienzrisikos um 28 Prozent.
Dabei fanden sich – und das stützt die SPRINT-Studie – keine relevanten Unterschiede in den relativen Effektstärken bei unterschiedlichem Ausgangsblutdruck (Lancet 2016, 387: 957-67).
Was Leitlinien angeht, haben die Kanadier im Gefolge der SPRINT-Studie den Zielblutdruck abgesenkt. Dort würden aber 30 bis 35 Prozent der Praxen nach der SPRINTMethodik messen, so Hausberg. Wer das in Deutschland mache, der könne die SPRINT-Zielwerte auch verwenden.
Das müsste dann streng genommen aber auch so in der deutschen Leitlinie erscheinen, denn sonst würde sich der Arzt vom Boden der Leitlinie entfernen.
Die österreichische Hochdruckliga ist da konsequenter. Wie die Kanadier haben auch die Österreicher die Zielblutdrücke abgesenkt: Die Liga empfiehlt seit diesem Jahr einen systolischen Blutdruck von unter 130 mmHg und nennt als Blutdruckziel sogar explizit 120 mmHg (J Hypertonie 2016. 20: 16-20).
Gleichzeitig empfiehlt die österreichische Liga ihren Ärzten, bei der Blutdruckmessung bevorzugt das besser standardisierbare Messprinzip der SPRINT-Studie einzusetzen.
SPRINT-Studie
Die Studie aus dem Jahr 2015 wurde von den National Institutes of Health in den USA finanziert.
Patienten profitierten von einer Absenkung des systolischen Blutdrucks auf 120 mmHg im Vergleich zum Leitlinienziel 140 mmHg.
Die Patienten in der Gruppe mit strenger Blutdruckeinstellung hatten eine um 25 Prozent geringere Sterblichkeit und um 30 Prozent weniger Schlaganfälle, Herzinfarkte und andere Herz-KreislaufEreignisse.