"Syphilis ist so veränderlich wie ein Chamäleon"

DÜSSELDORF (ars). Die Häufigkeit der Syphilis hat innerhalb weniger Jahre stark zugenommen. Aufmerksamkeit ist angesagt, wenn bei Patienten bestimmte Konstellationen vorliegen: männliches Geschlecht, homosexuell oder Wohnort in einer Großstadt. Die Krankheit kann jedes Organ befallen, auch Fieber und Hautausschlag sind Symptome.

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Das breite Spektrum an körperlichen Reaktionen, die Treponema pallidum hervorrufen kann, erschwert die Diagnose. "Die Syphilis ist ein Chamäleon", so Professor Herbert Hof beim Fortbildungskongress der Frauenärztlichen BundesAkademie in Düsseldorf. Der Kollege aus Mannheim erinnerte daran, dass die Syphilis, auch Lues (Seuche) genannt, zyklisch verläuft, aber jederzeit spontan ausheilen kann.

  • Die primäre Infektion zeigt sich an den Geschlechtsorganen: Nach einer Inkubation von etwa drei Wochen bildet sich ein meist einzelnes hartes, aber schmerzloses Ulcus durum.
  • Nach zwei bis sechs Monaten kommt es zur sekundären Syphilis mit Fieber, Papeln auf Rücken, Fußsohle oder Handfläche sowie Condylomata lata, die anders als Condylomata acuminata breit auf der Haut aufliegen. Bei Schwangeren besteht für den Fetus hohe Infektionsgefahr.
  • Nach einer Latenzperiode von etwa fünf Jahren kommt es zum tertiären Stadium. Typisch ist eine Immunreaktion mit gummiartig verhärteten Knoten (Gummen) in Haut, Knochen, Aorta oder ZNS. In diesem Stadium sind nur wenige Bakterien nachweisbar, so dass für den Fetus kein Infektionsrisiko besteht.
  • Ohne Behandlung kommt es bei etwa einem Fünftel der Patienten nach zehn bis 20 Jahren zu schweren neurologischen Störungen mit Demenz und Lähmungen.

Die Diagnose stützt sich auf Anamnese, klinischen Blick, Nachweis der Treponemen im Dunkelfeldmikroskop und Laborbefunde: Im Serum ist ein IgG- und IgM-Anstieg nachweisbar. Behandelt wird im Primär- und Sekundärstadium mit täglich 1 Million Internationalen Einheiten Penicillin i.m. für 14 Tage, wie Professor Hof sagte, während der Schwangerschaft mit 2 Millionen Einheiten i.m.

Seit 2001 hat sich die Melderate nach seiner Aussage mehr als verdoppelt. 1554 Neuerkrankungen gibt das Robert-Koch-Institut für 2001 an, für 2005 bereits 3210. Die Meldung erfolgt nicht namentlich, aber mit möglichst detaillierten Angaben, etwa zum denkbaren Infektionsweg. Die Meldepflicht obliegt dem Labor.

Der Anstieg der Inzidenz geht zulasten der Männer - der Anteil der neu erkrankten Frauen liegt unverändert knapp unter zehn Prozent. Jährlich werden in Deutschland durchschnittlich sechs Kinder mit konnataler Infektion geboren. Eine erhöhte Lues-Prävalenz herrscht in ehemaligen Ostblockländern, aber auch in Deutschland gibt es Brennpunkte: Köln, Berlin, Hamburg und Frankfurt. Immer wieder kommt es außerdem zu lokalen Ausbrüchen, wie in Aachen, wo 19 Frauen erkrankten.

Weitere Infos: www.rki.de, Infektionskrankheiten A-Z anklicken



STICHWORT

Syphilis

Treponema pallidum wird von Mensch zu Mensch bei direktem Kontakt von Schleimhäuten übertragen. Der Medizingeschichte zufolge trat die erste Syphilis-Epidemie in Europa kurz vor der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert auf. Die These allerdings, dass Kolumbus und die Conquistadores die Spirochäten von Mittelamerika nach Europa eingeschleppt haben, gilt als widerlegt. Vielmehr wird vermutet, dass sie schon lange in Europa vorkamen, allerdings in einer harmlosen Variante, die dann zu einer gefährlicheren Form mutiert ist. Bis zum 20. Jahrhundert versuchte man, Treponemen durch eine Therapie mit hochgiftigem Quecksilber abzutöten. Dann fand man heraus, dass sie Temperaturen über 41°C nicht überleben und infizierte Patienten mit Malaria, um Fieberschübe auszulösen - eine riskante, aber oft wirksame Methode. 1909 entwickelt Paul Ehrlich das ebenfalls effektive, aber weniger gefährliche arsenhaltige Salvarsan. (ars)

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